Startseite · Interview · Gefragt
(c) Jake Turney
Eine königliche Hochzeit – das ist gut für eine Musikerkarriere. Das konnte schon die durchaus arrivierte Kiri Te Kanawa erfahren, die – auf persönlichen Wunsch von Prinz Charles – vor einer TV-Weltöffentlichkeit bei dessen Vermählung mit Lady Diana Spencer in der Westminster Abbey Händel sang. Und wir wissen nicht genau, welchem PR-Hirn eine ähnliche Verpflichtung der jüngsten Vergangenheit entsprossen ist. Aber es geschah bestimmt mit Kalkül. Jedenfalls, als sich der Windsor-Sprössling Prinz Harry im Mai 2018 mit Meghan Markle verpartnerte, da war das noch eine royale Traumhochzeit. Knapp zwei Jahr später sind der königliche Glanz wie der Titel perdu. Aber ein anderer hat die Gunst der damals weltweiten Übertragungsstunde genutzt: der sicherlich sehr bewusst zur musikalischen Gottesdienstuntermalung hinzugezogene, farbige Cellist Sheku Kanneh-Mason. Der damals 18-jährige Brite mit Wurzeln in Sierra Leone, den auf der Insel alle nur noch Sheku nennen, kommt aus einer vielköpfigen und viel begabten Musikerfamilie. Sieben Geschwister gibt es. Die klavierspielende Schwester Isata durfte schon beim gleichen Major-Label wie der Bruder Clara Schumann aufnehmen. Und der aufgeweckte, zuvor dank seiner außerordentlichen Begabung in interessierten Kreisen schon Furore machende Knabe wurde berühmt durch einen Auftritt bei „Britain’s Got Talent“. 2016 gewann Sheku den „BBC Young Musician of the Year“-Preis, der mit einer Vielzahl von Konzerten verbunden ist. Also nahm ihn folgerichtig ein großes britisches Label unter Vertrag und veröffentlichte termingerecht zur Royal Wedding ein erstes, „Inspiration“ betiteltes Album, das um Schostakowitschs 1. Cellokonzert zentriert war. Und bei dem er „first class“ vom City of Birmingham Symphony Orchestra unter Mirga Gražinytė-Tyla begleitet wurde. Nach dem royalen Auftritt fuhr der 613er-Bus im heimatlichen Nottingham sogar mit Shekus Konterfei und Namen durch die Stadt Wie das National Symphony Orchestra soeben vermeldete, ist in Großbritannien inzwischen der so genannte „Sheku-Effekt“ in vollem Gange. Zumindest beobachtet der Jugendklangkörper einen ungewöhnlicher Zustrom junger Cellisten, die sich für einen Residential Kurs anmelden. Offenbar inspiriert von „the world’s new favourite cellist“ (The Times), hat es beim NSSO einen sage und schreibe 69-prozentigen Anstieg der Bewerbungen gegeben. Sheku, das sollte man sich also unbedingt als Marke sichern lassen. Denn mit seinem zweiten Album hat Sheku Kanneh-Mason als erster Cellist überhaupt bereits beim Erscheinen Platz 10 der UK Official Album Charts erreicht. Und während viele englische Karrieren Klassik- und Cross-Over-Phänomene bleiben, hat, das beweist die zweite Scheibe, Sheku durchaus das Zeug, auch die Klassikfans auf dem Kontinent zu begeistern. Wobei er hoch pokert – doch gewinnt. Sein aktuelles, knapp „Elgar“ genanntes Album, es lässt sich höchst befriedigend hören. Hier steht natürlich das wichtigste britische Cellokonzert im Mittelpunkt, Edward Elgars Glanzstück der ausgehenden edwardianischen Epoche, so sämig breitfließend wie üppig. Und auch wieder termingerecht zum 100. Uraufführungsjubiläum platziert. Umso löblicher, dass sich diese Interpretation, unterstützt von keinem Geringeren als Simon Rattle am Pult des London Symphony Orchestra, in der durchaus reichen Diskografie des Werkes ziemlich hoch einreiht.
Neben den Pomp & Circumstance-Märschen sowie den Enigma-Variationen gehört das späte, 1919 uraufgeführte Cellokonzert in e-Moll op. 85 zu den bekanntesten Werken Edward Elgars (1857–1934). Und es war immer auch ein Medien-Hit. Bereits im Dezember 1919 entstand eine erste, jedoch gekürzte Plattenaufnahme mit der Cellistin Beatrice Harrison unter der Leitung Elgars, 1928 dann eine Kompletteinspielung. Das jahrzehntelang eher wenig gespielte Werk erlangte 1965 breitere Bekanntheit durch eine bis heute Maßstäbe setzende Einspielung der damals zwanzigjährigen Cellistin Jacqueline du Pré unter Leitung von John Barbirolli, der bereits bei der Uraufführung als Orchestercellist mitgewirkt hatte.
Matthias Siehler, 15.02.2020, RONDO Ausgabe 1 / 2020
Unser Stammgast im Wiener Musiker-Wohnzimmer
Antonín Dvořáks „Rusalka“ ist ein Mode-Stück ... von gestern. Ganz früher gab es das gar […]
zum Artikel
Meldungen und Meinungen der Musikwelt
Soll man Musik bei der Arbeit hören oder nicht? Die einen sagen, sie können nicht ohne. Die […]
zum Artikel
Licht in dunklen Zeiten
Das Münchner Rundfunkorchester und sein Konzertmeister überzeugen mit Kompositionen aus der Feder […]
zum Artikel