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RONDO: Sie waren ein pianistischer Spätstarter?
Ingolf Wunder: Ganz spät, mit 14. Ich hatte davor nie richtig Klavier gespielt, nur Geige. Es war nie geplant, dass ich ein Profi-Musiker würde. Die richtige Arbeit an einem Thema, nämlich Chopin, hat erst Ende 2008 begonnen.
RONDO: Wie kam das?
Wunder: Ich war 2005 schon einmal beim Chopin- Wettbewerb in Warschau, in jugendlichem Sturm und Drang; der Hauptgrund, warum ich das Finale nicht erreicht habe, war, dass ich das Andante spianato und Grand Polonaise viel zu schnell gespielt habe. Ich habe damals Chopin noch nicht so richtig verstanden. Ende 2008 wollte ich dann an Chopin arbeiten, und ich habe damals Adam Harasiewicz gefragt, ob er mir helfen würde. Wir verstehen uns menschlich sehr gut, er ist ein richtiger Freund; ich bin jemand, der eine persönliche Beziehung braucht. Wenn ich einen Menschen nicht leiden kann, kann ich auch nicht von ihm lernen.
RONDO: Wie würden Sie sich denn generell einordnen. Eher als einen »Notenfresser« wie Richter oder als einen der Spezialisten wie Harasiewicz?
Wunder: Also ich bin schon eher in der Spezialistengruppe. Allerdings sind meine Interessen zu breit, um bei Chopin zu bleiben. Spezialistentum eher im Sinne von Michelangeli, der mich fasziniert, auch wenn ich nicht alles von ihm mag. Sein Repertoire war limitiert, aber was er gespielt hat, war exzellent und in diese Richtung will ich gehen, weil es für mich sehr wichtig ist, mich mit einem Werk lange und intensiv zu beschäftigen, bevor ich auf die Bühne gehe; aber ich kann dann versichern, dass das Resultat gut sein wird – nicht nur gut, sondern exzellent.
RONDO: Heutzutage nicht gerade ein Alleinstellungsmerkmal.
Wunder: Es ist natürlich schwierig in der klassischen Musik heute. Es gibt sehr viele Leute, die perfekt Klavier spielen können und manchmal ist es eben schade, dass es auf die künstlerischen Werte nicht mehr so ankommt, weil auch die Nachfrage danach nicht mehr so stark ist, wie es früher einmal war. Der Geschmack der Leute hat sich verändert. Es gibt so Wenige, die wirklich hören können. Wie bei gutem Wein braucht man viel Erfahrung, um das selbst zu spüren.
RONDO: Wie kann man den Rest erreichen?
Wunder: Jedes Konzert sollte ein Ereignis sein, aus meiner Sicht. Deswegen hab ich Horowitzkonzerte auch so geliebt. Ich mag einfach die alte Tradition Klavier zu spielen und hoffe, dass wir irgendwie dahin zurückkommen.
RONDO: Und wie könnte das gelingen?
Wunder: Ich kann nichts anderes machen als meinen Musikgeschmack aufs Klavier zu bringen. Musikalisch hatte ich als Student sehr viele Gegner, weil ich mir eine eigene Meinung geleistet habe, und das kommt meistens nicht so gut an. Deswegen sind der Chopin-Wettbewerb und alles, was jetzt passiert, irgendwie auch eine Bestätigung, dass ich auf dem richtigen Weg bin.
Matthias Kornemann, 30.11.1999, RONDO Ausgabe 5 / 2011
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