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Der taumelnde Mensch im Mittelpunkt: Harry Kupfer † © Lewin-Management.com
Das Bühnenspektakel war nie seine Sache. Obwohl auch er zu einer Generation von Regisseuren gehörte, die vor 40 Jahren das mittlerweile etwas verrufene „Regietheater“ ausriefen. Aber Harry Kupfer musste in seinen unzähligen Operninszenierungen nie etwa in irgendwelche Video-Welten flüchten, weil ihm nichts zu den leibhaftigen Personen und Figuren auf der Bühne eingefallen wäre. Wie die große Mezzosopranistin Waltraud Meier einmal im Gespräch mit dem Autor klargestellt hat, war Kupfers Vorstellung vom Regietheater ein „Theater in dem Sinne, dass Menschen miteinander etwas zu tun haben. Heute ist es alles eher Regisseurtheater.“
An Kupfers Kunst, den Opernstoff in eine Geschichte zu übersetzen, bei der der vor Liebe, Sehnsüchten und Gewalt getriebene und taumelnde Mensch im Mittelpunkt steht und nicht die schlagzeilenträchtige Provokation, hat Meier bekanntlich in den legendären Wagner-Produktionen großen Anteil gehabt. In den 1980er und 1990er Jahren, als Kupfer in Berlin den „Parsifal“ und den kompletten „Ring“ in Bayreuth inszenierte und auch damit Interpretationsgeschichte schrieb.
Überhaupt hat Kupfer mit seinen über 200 Operninszenierungen das Musiktheater ähnlich geprägt wie etwa Ruth Berghaus und Peter Konwitschny, Hans Neuenfels und Dietrich Hilsdorf. Der Startschuss für seine Opernregie-Karriere fiel 1958 an der Oper in Halle an der Saale, wo der 23-jährige Regie-Debütant sich mit Dvořáks „Rusalka“ sofort für den Oberspielleiter-Posten der Oper Stralsund empfahl. Seine wichtigste Station sollte dann aber die Komische Oper Berlin werden, die von seinem Lehrmeister Walter Felsenstein zur Pilgerstätte auch für die Opernfans aus West-Berlin gemacht worden war. Ab 1981 war Kupfer für die nächsten 21 Jahre Leiter und Chefregisseur am Haus. Und zugleich in aller Welt gefragt: Zu seinen legendären Arbeiten gehören die „Soldaten“ von Bernd Alois Zimmermann in Stuttgart, der „Fliegende Holländer“ in Bayreuth sowie Krzysztof Pendereckis „Die schwarze Maske“ bei den Salzburger Festspielen. Obwohl er sich 2002 von der Komischen Oper Berlin offiziell mit Brittens „Turn of the Screw“ verabschiedet hatte, kehrte er später an das Haus zurück. So brachte er noch im März 2019 Händels „Poro“ heraus. Nun ist Harry Kupfer im Alter von 84 Jahren in Berlin gestorben.
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