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Die 32-jährige Polin galt als eine der musikalisch interessantesten Verfechterinnen der Wiederbelebung des Cembalos, eines fast vergessenen Instruments, von dem es hieß, dass es wegen seines »zwirnsmäßigen« Tons »für das einigermaßen ästhetisch gebildete Ohr auf die Dauer unerträglich« sei. Doch Landowska, die bereits vor Tolstoi, Rodin und Albert Schweitzer gespielt und erste Aufnahmen des Instruments auf Walzen gemacht hatte, gewann das Duell haushoch und sollte kurz darauf zum ersten Star des Cembalos der Neuzeit werden.
Hundert Jahre später ist die Landowska nun wieder in Eisenach: als Gegenstand einer jener kleinen aber feinen Kabinettaustellungen, mit denen sich das Bachhaus in den letzten Jahren profiliert hat. Die Schau, die von Martin Elste akribisch recherchiert und liebevoll mit Objekten aus Landowskas Nachlass eingerichtet wurde, reduziert die Künstlerin nicht auf ihre Rolle als »Pionierin des Cembalos«. Objekte und Dokumente zeichnen vielmehr das Bild einer vielseitigen Ausnahmekünstlerin, die der historischen Aufführungspraxis zwar die Türen öffnete, aber letztlich eine höchst individuelle Auseinandersetzung mit Bach und der Alten Musik verfolgte. Dies sieht man nicht zuletzt an Landowskas Cembalo: Das türkisfarbene Instrument mit den sieben Pedalen, das die Firma Pleyel 1912 nach ihren Wünschen angefertigt hatte, unterscheidet sich deutlich von den Instrumenten der Bachzeit.
Geheimnisse über Landowskas Bühnenausstrahlung und Spieltechnik verraten die neben dem Instrument ausgestellten Samtschläppchen: Auf ihnen konnte die kurzsichtige Interpretin nicht nur effektvoll in den Saal gleiten; sie dienten ihr auch dazu, unmerklich von Pedal zu Pedal zu wechseln und fließende Übergänge zwischen einer Vielzahl von Registern herzustellen. Effekte, die auf Bachs Instrumenten so nicht möglich gewesen wären. Auch der nach Plänen von Landowska erbaute »Temple de la Musique Ancienne« in Saint-Leu-la-Forêt bei Paris war alles andere als eine Rekonstruktion des Vergangenen, sondern ein Bau der klassischen Moderne mit lichtem Glasdach, in dem die Künstlerin von 1927 bis zu ihrer Emigration in die USA Meisterklassen, Konzerte und Vorlesungen veranstaltete sowie Aufnahmen produzierte. Dass Wanda Landowska von ihren Gegnern nichtsdestotrotz »Musealität« vorgeworfen wurde, gehört zu den vielen Paradoxien ihres öffentlichen Wirkens, das in seinen widersprüchlichen Facetten erst noch zu entdecken ist.
Martin Elste: »Die Dame mit dem Cembalo. Wanda Landowska und die Alte Musik. Bilder und Texte«, Schott Verlag, Mainz 2010, 240 Seiten, 39,95 EUR
Carsten Niemann, 30.11.1999, RONDO Ausgabe 5 / 2011
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