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Gute Laune im Festspielhaus. So viel gelacht wie beim neuen „Tannhäuser“ wurde in Bayreuth schon lange nicht mehr. Als Katharina Wagner im 2. Akt per Video gezeigt wird, wie sie mit Luder-Blick und dicken Fingern die Nummer 1-1-0 wählt, um die Polizei zu rufen: schallendes Gewieher! (Übrigens nicht im Kino, wohin die Aufführung übertragen wurde, sondern hauptsächlich nur im Saal.) – Die sonstigen Gags sind sämtlich Insiderwitze, vom Schlingensief- Hasen bis zur Biogas-Anlage (aus dem „Tannhäuser“-Reinfall Sebastian Baumgartens, 2011). Die Neuproduktion von Tobias Kratzer ist ein Feuerwerk der Bayreuther Selbstanspielungen. Das deckelt auch. Außer Spaß machen will die Inszenierung nicht viel. Bester Einfall: Venus (großartig als Lara Croft des Grünen Hügels: Elena Zhidkova) verfolgt Tannhäuser alle drei Akte hindurch, bis sie ihn fast zur Strecke gebracht hat.
Titelheld Stephen Gould ist nicht nur körperlich, sondern auch stimmlich zu schwer und unbewegt, um zu berühren. Lise Davidsen, absahnend, erscheint beinahe als eine jugendliche Astrid Varnay. Markus Eiche gibt einen ungewohnt telramundhaften, kernigen Wolfram. Und Daniel Behle (als Walther) sieht mit Haaren doch besser aus. – Viel Scherereien bekam Valery Gergiev seitens der Kritik. Zu Recht. Alle Ensembles wackeln. Gergiev dirigiert indifferent und disponiert das Ende des 2. Aktes so schlecht, dass es sich zieht und zieht. Orchestral kein Ruhmesblatt.
Einen kleinen Skandal zog die Premiere durch die Buhs für Drag-Queen „Le gateau chocolat“ nach sich. Sie gehört zur Spaßguerilla der Venus und beklagte sich anschließend über Diskriminierung durchs Publikum. Gemach! Angebuht (nicht ausgebuht) wurde die Figur. Wer im Publikum soll wissen, dass der Darsteller in Gestalt seiner eigenen Kunstfigur erscheint?! Wir meinen: Bayreuth mag sicherlich verdorben sein. Aber so schlimm nun auch wieder nicht.
Robert Fraunholzer, 14.09.2019, RONDO Ausgabe 4 / 2019
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