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(c) Frederic Brenner
Natürlich ist das heute keine Besonderheit mehr: In vielen Orchestern haben sich Mitglieder zusammengefunden, um nebenbei ihrer Leidenschaft für die Barockmusik zu frönen. Schließlich kommt man aktuell ja auch als angehender Instrumentalist kaum mehr darum herum, sich mit den Erkenntnissen der Alte- Musik-Praxis zu beschäftigen. Doch dass ein Darmsaiten-Guru sich mit Vertretern eines Ensembles dauerhaft zusammentut, das früher konsequent auf der anderen Grabenseite verortet worden wäre – das zeigt einerseits, dass die Zeit des Scheuklappendenkens inzwischen gottlob vorbei ist. Und andererseits, dass die Musikwelt generell, egal aus welchem stilistischen Lager man nun eben kommt, neugierig aufeinander geworden ist. So ist es heute also Normalität, dass Reinhard Goebel gerade eine neue, wohl wieder prägende Aufnahme mit den aus Mitgliedern der Berliner Philharmoniker bestehenden, konsequent auf modernen Instrumenten spielenden Berliner Barock Solisten vorgelegt hat: Georg Friedrich Händels von fremder Hand kompilierte Instrumentalsammlung der Concerti grossi op. 3.
Raimar Orlovsky, gemeinsam mit dem leider inzwischen verstorbenen Spiritus rector Rainer Kussmaul ein Gründungsmitglied der Truppe, hat diese traumhafte Kombination eingefädelt: „Zu einer Zeit, als es Rainer Kussmaul schon nicht mehr so gut ging, habe ich Goebel, ein echtes Idol von mir, zufällig im Kammermusiksaal hinter der Bühne getroffen und nach seltenen Noten gefragt“, erinnert sich der philharmonische Geiger, der seit 1991 bei den Berlinern spielt. „Diesem Wunsch ist er äußerst liebenswürdig nachgekommen, und so hat sich sehr schnell eine gute Beziehung entwickelt. Irgendwann haben wir ihn für ein Projekt als Dirigent eingeladen, obwohl wir doch bisher auf diesen verzichtet hatten. Und dann hat uns noch Kussmaul eine Aufnahme der Brandenburgischen Konzerte mit ihm nahegelegt. Goebel wollte auch. Dass aber diese preisgekrönte, sich gut verkaufende, mit besten Kritiken bedachte Einspielung so einschlagen würde, hat uns selbst am meisten überrascht.“
Die Konsequenz: Man trug Reinhard Goebel die Leitung des durchaus renommierten, sich mehrmals im Jahr neben dem Orchesterdienst zusammenfindenden Ensembles an. Und der akzeptierte, ganz karajanesk „mit tausend Freuden“. In Günter Hänssler fand sich zudem ein Produzent, der sich für die Händel- Concerti, Goebels nächstes Wunschprojekt, und auch diverse noch anstehende schnell entflammen konnte. Im Januar wurden in der bewährten Jesus-Christus-Kirche in Berlin-Dahlem mit insgesamt 21 beteiligten Musikern die Aufnahmen durchgeführt, die Masterbänder konnten so schnell geschnitten werden, dass jetzt bereits die Veröffentlichung ansteht.
Das Besondere dieser Neuaufnahme, die durchaus nottut, denn Referenz-Einspielungen wie die von Trevor Pinnock sind nun auch schon wieder 30 Jahre alt: „Goebel wollte es, wie schon in alten Kritiken bemerkt, mit Grandezza, aber schnörkellos musiziert. Quasi protestantisch“, führt Raimar Orlovsky aus. So gibt es Verzierungen nur da, wo sie hingehören. Ein Händel, groß und einfach, aber klangfein, eben für unsere Zeit.
Matthias Siehler, 18.05.2019, RONDO Ausgabe 3 / 2019
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