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N° 1297
18. - 24.03.2023

nächste Aktualisierung
am 25.03.2023



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(c) Monika Rittershaus

Schuss in den Ofen

Berlin, Staatsoper Unter den Linden: Mozarts „Die Zauberflöte“

Dass ein Opernhaus gleich zwei Inszenierungen der „Zauberflöte“ aktuell im Programm hält, dürfte einzig dastehen in der Theatergeschichte. Die Berliner Staatsoper wollte ihre alte, in den Schinkel-Originalbühnenbildern angefertigte „Zauberflöte“ nicht verschrotten. Die Doppelung kreiert ein Problem: Je besser beide Produktionen, desto schlimmer deklassieren sie einander. Yuval Sharons „Zauberflöte“ (neu) drohte im Premieren-Buhsturm zeitweise zu kentern und unterzugehen.
„Durch die Augen eines Kindes“ betrachtet der Regisseur das Stück, welches bekanntlich ganz schlicht als Entführungsthriller anfängt, um in ein kompliziertes, freimaurerisches Initiationsritual umzuklappen. Das können höchstens Kinder verstehen, die mit allem rechnen! Tamino und Pamina sind hier Marionetten, die an Drähten hängen (Auftritte meist von oben). Quietschrote Plastikstulpen, kopfumrundende Pelzmützen ergeben eine satanalkohöllische Mixtur aus „South Park“, Playmobil und Augsburger Puppenkiste.
Als auffälligste Besetzung galt im Vorfeld der Schauspieler Florian Teichtmeister als Papageno. Tonlos, angeheisert wienernd muss er das Opernhafte der Rolle schuldig bleiben. Freilich, auch Schikaneder selbst agierte bei der Uraufführung 1791 als Schauspieler. Unversehens realisiert man, worin das Wiener Vorstadttheater hier besteht: im ‚niederen Ton’. Serena Sáenz Molinero singt Pamina mit Papagena- Stimme – ganz leicht, spitzig, jugendlich. Tuuli Takala als Königin der Nacht bleibt damenhaft. Kwangchul Youn hat als Sarastro die nötige Tiefe erstaunlicherweise nicht. Julian Prégardien immerhin kräht den Tamino mit Inbrunst und Hingabe, die zu Herzen geht. Und mit der Textverständlichkeit eines Liedersängers.
Maestra Alondra de la Parra (eingesprungen für den sich auf Knieprobleme berufenden Franz Welser-Möst) dirigiert detailpusselig und zart, aber zu fleischlos und munter an den Sängern vorbei (da sie nicht von der Oper kommt). Die Produktion, kein Zweifel, ist ein Schuss in den Ofen. Sie anzusehen gibt es nur einen Grund: Die wird nicht alt.

Robert Fraunholzer, 13.04.2019, RONDO Ausgabe 2 / 2019



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