Startseite · Interview · Blind gehört
(c) Samuel Hasselhorn
Der deutsche Bariton Samuel Hasselhorn räumt seiner einiger Zeit alle möglichen Liedpreise ab, darunter den Königin- Elisabeth-Wettbewerb 2018 und den Quasthoff-Gesangswettbewerb „Das Lied“ 2017. Geboren 1990 in Göttingen, studierte er in Hannover bei Marina Sandel und am Pariser Conservatoire national supérieur de la musique et de danse (bei Malcolm Walker). Seine Debüt-CD „Dichterliebe2“ fand bei Kritikern große Anerkennung. Seit letztem Herbst ist Hasselhorn Ensemblemitglied der Wiener Staatsoper. Im Blindtest zeigt er seine deutliche Abneigung für den Tenor-Knödel – und outet sich als Fan.
Man hört gleich, dass es sich um einen deutschsprachigen Sänger handelt. Positiv wie negativ: ein leichtes Übergewicht der Kopfstimme. Das könnte ein wenig zu leicht erscheinen. Mir fehlt etwas Gravität, und bei den höheren Tönen mischt sich ein Mini-Knödel mit ein. Aber schön, doch, doch! Klingt friedvoll, schlicht, so etwas muss man erst einmal können. Auch hört man den Anzug, den der Herr Kammersänger trägt. Die historische Nähe von Fischer-Dieskau meine ich gleichfalls zu spüren. Wer es sein könnte? – Siegfried Lorenz? Respekt! Ich kenne ihn nicht gut genug. Aber glaube doch, ich sollte ihn besser kennen.
Das ist, ganz klar!, Hermann Prey. Auch hier: Das muss man erst einmal hinkriegen. Ich registriere tenorale Anteile in der Stimme. Meinem Lehrer in Hannover soll Prey auf die Frage, warum er in München den Sprecher in der „Zauberflöte“ singe – und nicht den Papageno –, geantwortet haben: „Weil ich eben vieles bedienen kann.“ Das gefällt mir. An Prey, keine Frage, scheiden sich ein bisschen die Geister; auch bei mir. Mir klingt’s ein bisschen zu sehr nach ‚heißer Kartoffel im Mund‘. Sehr schön dagegen, dass er nicht bellt. Dadurch bekommt sein Gesang etwas fein Emotionales, auch Italienisches. Er war nie steril. Darin, meine ich, sollte man ihm folgen.
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Das klingt fast wie Christian Gerhaher – als Tenor! Sehr einsam, sehr melancholisch. Fast meditativ, ähnlich wie es Gerhaher tun würde. Fast hätte ich gesagt: Das muss ein britischer Tenor sein. Und zugleich ein „Tamino“. Auch hat er wiederum einen klitzekleinen Knödel in der Kehle. Der entsteht übrigens durch zu großes ‚Festhalten’ im Kehlkopf. Durch Kontrollsucht und durch eine nicht vollkommene Fähigkeit loszulassen. Ich habe, wie ich zugebe, ein bisschen Probleme mit Tenören beim Liedgesang. Sie sind mir zu einfarbig. Das Helle, Klare ist ganz da. Doch es fehlt der Dreck, der Schmutz in der Stimme, der eben auch dazu gehört. Die Folge: Es klingt zu schön. – Das ist Maximilian Schmitt? Ich hätte es nicht erraten. Übrigens: Die besten Sänger sind für mich die, bei denen man kein Stimmfach heraus erkennt. Zum Beispiel Bryn Terfel. Das hier ist mir zu tenortypisch.
Den kenn ich doch! Bloß, wer ist’s? Das könnte beinahe ein hoher Bariton sein, so schöne Farben hat er unten herum. Gar nicht typisch deutsch, das meine ich positiv. Es hat eine sehr schöne Balance zwischen dem Deklamatorischen und einer gewissen Verträumtheit. Trotzdem erreicht es mich nicht im Herzen. Gut gemacht. Aber doch eben gemacht! Der Sänger geht sehr gut mit seinen Limits um. Christoph Prégardien ist das nicht, glaube ich. – Ist es doch?! Er singt manchmal sogar den Jesus in Bachs Matthäus-Passion – keine Tenor- Rolle. Vor drei Jahren habe ich ihm einmal vorgesungen. Doch ich muss einräumen: Heute fände er mich besser. Hoffentlich …
Eine alte Live-Aufnahme, in der Rodolfo ganz weit hinten steht. Dafür ein sehr guter Marcello! Bei dem gilt nicht: je dunkler, desto besser. Typisch live ist auch die Tatsache, dass es ungenauer ist als es in den Noten steht. Ob das wohl in Wien mitgeschnitten wurde? Ich erkenne zugegebermaßen keinen einzigen der Sänger. Wir Jüngeren sind immer besser in unserer eigenen Generation. Shame on us! Natürlich ist das großartig persönlichkeitsstark. Dieser Schaunard ist wirklich ein Schaunard. – Das ist Giuseppe Taddei? Ich werde demnächst sein Nachfolger in dieser Rolle in Wien sein. Meine erste Puccini-Oper! Und schon singe ich ein ganz anderes Fach als sonst. So wie das im Opernbetrieb eher typisch ist, besonders wenn man am Anfang steht.
Das ist die Arie „Erleucht auch meine finstre Sinnen“ aus dem „Weihnachtsoratorium“. Und das ist Christian Gerhaher. Schade, dass es sich um eine Live-Aufnahme handelt, sonst sänge er wahrscheinlich noch ein schöneres Legato. Schon ein toller Sänger! „Strahahalend“ und „klahahar“, das sind ganz schwierige Stellen. Er könnte es vielleicht noch liedhafter, schlichter angehen. Er tut so, als ob er eine echte Bass-Arie singt, was ihn sonst gar nicht so sehr auszeichnet. Wie auch immer, Bach ist dankbar zu singen, aber doch eben auch unerhört schwer.
dhm/Sony
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Den kennt man doch aber auch! Der klingt ein bisschen nach Hermann Prey. Hat aber mehr Wagner gesungen. Wie heißt denn der? Trug der nicht einen Schnurrbart?! Die Aufnahme ist so mittelalt, und jedenfalls im Studio aufgenommen worden. – Bernd Weikl, genau! Die Partie des Ottokar liegt sehr hoch für mich, da gibt’s ein hohes Gis. Man ist nur 20 Minuten auf der Bühne und kommt erst kurz vor Schluss ins Opernhaus. Meine Mutter hatte den Live-Stream schon angestellt, da war ich in Wirklichkeit noch zuhause. Eine ideale Rolle! Nur dass einen am Ende auch kaum jemand wahrgenommen hat.
Das ist ein Repertoire, das ich privat nie höre. Ich habe das Gefühl, die Sängerin kenne ich, das ist eine ganz Berühmte. Sehr schöne Stimme. Sie hat ein bisschen was von Renée Fleming. Die Fleming vor der Fleming, das ist’s!? Es muss also wohl Kiri Te Kanawa sein. Ich habe einmal einen Meisterkurs in Ravinia bei ihr besucht. Als Gräfin im „Figaro“ finde ich sie unübertroffen. Zu meinen absoluten Lieblingssängern gehört sie dennoch nicht. Das sind Ludovic Tézier, auch Dmitri Hvorostovsky. Und Bryn Terfel, der war immer mein großes Vorbild. Zuerst mit Schubert, ganz toll. Und dann hat er schon mit 30 Jahren den Jochanaan gesungen. Wie macht der das bloß?! Alle brüllen mal, er nicht.
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Robert Fraunholzer, 13.04.2019, RONDO Ausgabe 2 / 2019
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