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Für Franz Liszt ist Martin Haselböck kein Weg zu weit und keine Zeitumstellung zu lästig. Und so jettete er kürzlich mal schnell von Kalifornien ins burgenländische Raiding, um Sinfonische Dichtungen des diesjährigen Geburtstagskinds zu dirigieren. Und kaum war der letzte Ton von Liszts »Festklängen« verhallt, ging es wieder retour. Denn am nächsten Tag stand –diesmal in Texas – eine Aufführung des musikalischen Psycho- Stücks »The Infernal Comedy« an. Mit John Malkovich in der Erzählerrolle. Andere Dirigenten hätten bei solchen voraussehbaren Strapazen kurzerhand das Zwischengastspiel in der Heimat gecancelt.
Nicht aber Haselböck. Das Konzert in Liszts Geburtsort Raiding war für ihn eben mehr als nur ein Pflichttermin. Mit seiner auf historischen Instrumenten spielenden Wiener Akademie konnte er nun den Live-Aufnahme-Zyklus sämtlicher Orchesterwerke fortsetzen – in genau jener originalen, gerade mal bis zu 50 Musiker umfassenden Besetzung, für die Liszt in Weimar seine Stücke komponierte hatte. Nun ist mit drei weiteren Tondichtungen, darunter »Les Préludes«, der zweite Teil erschienen. Und auch hierfür gilt, was Haselböck grundsätzlich über den Orchesterkomponisten Liszt denkt: »Die Entdeckung seiner Orchestermusik ist eine ernsthafte Alternative zum Virtuosen Liszt. Denn darin steckt schließlich formal eine völlig andere Beethoven-Nachfolge. Er entwickelt Strukturen aus einem Minimum an Material. Zudem sorgt er für eine völlig neue Konzeption des Orchesterklangs auch durch vorher nie verwendete Orchesterinstrumente.« Schon lange bewegt sich der 56-Jährige auch musikwissenschaftlich akribisch auf den Spuren Liszts. Nicht nur als Dirigent, sondern zuerst als Organist. Und es war noch in seinen Studentenzeiten, als er sein erstes Schlüsselerlebnis mit Liszt hatte. Haselböck hielt sich gerade in London auf, wo er ein Gastzimmer im österreichischen Kulturinstitut hatte. »Alfred Brendel, der im dortigen Salon ein Konzert gegeben hatte, wusste, dass ich Organist war. Und so fragte er mich, warum Liszt auf einer Seite der ›Franziskus-Legenden’ in der Klavierversion plötzlich eine Orgelregistrierung angegeben hatte. Für mich war das der erste Anlass, mich intensiv mit dem Notentext und damit mit Liszt zu beschäftigen.«
Seitdem ist Haselböck nicht nur die erste kritische Notenausgabe aller Orgelwerke zu verdanken. Für die Orchesterwerke hat er selbst private und öffentliche Instrumentensammlungen durchforstet, um dem Liszt’schen Original- Sound so nahe wie möglich zu kommen. Und bei der Vorstellung einer leibhaftigen Begegnung? »Ich würde ihn bitten, die h-Moll-Sonate, aber auch ›Präludium und Fuge über B-AC- H’ zu spielen, um so den Geist romantischer Proportion und Gestaltung aus seinen eigenen Händen zu erleben.«
Guido Fischer, 30.11.1999, RONDO Ausgabe 6 / 2011
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