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Stille und Nacht: Die Kapelle, die seit 1937 in Oberndorf an die Uraufführung erinnert (c) Gakuro/Wikimedia CC BY-SA 3.0
Der Weg von der Individualkomposition zum Gemeingut ist manchmal gar nicht so lang. Dennoch, wenn eine Melodie erst einmal Eingang in das kulturelle Gedächtnis gefunden hat, wundert man sich herauszufinden, dass sie zeitlich gebunden ist, ja sogar eine relativ überschaubare Geschichte hat. Kurz vor dem Heiligabend des Jahres 1818 – eine Geschichte wie eine Legende – bittet der Hilfspfarrer Joseph Mohr den Dorfschullehrer und Organisten Franz Xaver Gruber darum, seine hochdeutsche Nachdichtung eines lateinischen Textes für zwei Stimmen, Chor und Gitarre zu vertonen, was dieser prompt erledigt. Am 24.12. wird „Stille Nacht, heilige Nacht“ erstmals in Oberndorf bei Salzburg aufgeführt, zur Freude der Anwesenden. Damit hätte diese Gelegenheitskomposition zu regionaler Berühmtheit kommen, oder im Dorfkirchenarchiv verschwinden können.
Doch der Zufall wollte es, dass Karl Mauracher, ein Orgelbauer aus dem Zillertal, die Oberndorfer Orgel repariert (weshalb auch während der Originalweihnacht lieber auf die Unterstützung der Gitarre gebaut worden war) und das gefällige Lied als Abschrift mit sich nimmt. Er gibt es an eine Familie von befreundeten Handschuh-Machern, die vom engen Zillertal aus die Weihnachtsmärkte in Sachsen bereisen, sondern ihre Einkünfte durch musikalische Vorträge im Viergesang aufbessern. 1831 werden sie mit ihrem Auftritt zum Stadtgespräch und erhalten Einladungen zur Christmette der katholischen Gemeinde in der Pleißenburg-Kapelle, als auch als Pausenüberraschung im Gewandhauskonzert. Das Weihnachtslied findet sich daraufhin auch in Dresden gedruckt als „Tyroler Weise“, was seinerzeit als Garant für volkstümliche Ursprünglichkeit gilt. An den Erfolg können die vier Sänger in den kommenden Jahren anknüpfen, nach ihrem Auftritt in Berlin übernimmt sogar der Domchor „Stille Nacht“ in sein Repertoire – und so wird das Stück schließlich das Lieblingsweihnachtslied von König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen, dessen Geschmack für das gehobene Bürgertum natürlich stilbildend ist.
Davon ahnt man im fernen Salzburg nichts, bis die Königliche Hofkapelle per Anfrage nach dem Weihnachtslied von „Michael Haydn“ fahndet (denn so gute Musik muss ja aus gutem Stall kommen). Der Sohn des Komponisten erfährt davon, schickt eine korrigierende Erzählung der Entstehung nach Berlin und setzt seinen Vater und dessen Dichter so wieder in ihr Recht ein.
Nun wird das Lied, dessen stille Innigkeit stets den Höhepunkt sowohl von häuslicher Bescherung als auch Chorkonzerten bildet, als wichtigste musikalische Zutat zum Synonym der bürgerlichen Weihnacht. Und erfährt auch gerade deshalb zahlreiche kämpferisch-sozialkritische Umdichtungen. Manchem klingt es heute allzu sehr nach verordneter Bürgerruhe und familiärem Gemüts-Opium. Doch das ändert nichts an seiner Beliebtheit. 2018 jährt sich die Komposition von „Stille Nacht, heilige Nacht“ zum 200. Mal.
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