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N° 1353
13. - 24.04.2024

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am 20.04.2024



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George Benjamin (c) Matthew Lloyd

Zugabe

Namen, Nachrichten, Nettigkeiten: Neues von der Hinterbühne

Star-Dirigent Antonio Pappano, bald der am längsten amtierende Chef des Royal Opera House Covent Garden, liebt es nicht, sich beim Dirigieren zu sehen. „Ich kann es nicht aushalten, mich selber anzuschauen“, so Pappano in London. „Man tänzelt herum, ist aber kein guter Tänzer.“ Auch habe er, obwohl er einem Opernhaus vorsteht, das mit Kino-Übertragungen Geld verdient, „noch nie im Leben eine Oper im Kino gesehen“. Ein Opernabend per Leinwand und Stream sei nicht dasselbe wie im Plüschparkett eines Operntempels, so Pappano. „Wir müssen dafür sorgen, den Stimmen optimale Resonanz zu geben“, sagt Pappano über die verwendeten Sound-Systeme und Kompressoren. Am Covent Garden sei man allerdings nicht so technisch avanciert wie bei den Bayreuther Festspielen. Technisch manipuliert, so müssen wir schließen, wird hier wie dort.
Die amerikanische Sopranistin Lisette Oropesa, die als Marguerite de Valois in Giacomo Meyerbeers „Les Huguenots“ einen sensationellen Durchbruch an der Bastille-Oper feiern konnte, war nicht immer so superschlank wie heute. „Als ich an der Metropolitan Opera mit 21 Jahren vorsang, war ich stark übergewichtig. Man sagte mir direkt ins Gesicht: ‚So nicht!’“ Die Stimme sei zu leicht für einen so schweren Körper. „Ich habe das akzeptiert. Und brauchte fünf Jahre, um 40 Kilo zu verlieren.“ Sie habe nie wieder zugenommen. „Meine Rettung war, dass der Gewichtsverlust verhältnismäßig langsam geschah.“
Konzert-Impresario Witiko Adler (90), seit genau 70 Jahren Chef der dieses Jahr selbst 100-jährigen Konzertdirektion Adler mit Dependancen in Berlin und Köln, glaubt, dass Konzertagenten verzeihen müssen. „Der Erste ist immer der Dumme. Man macht die Kärrnerarbeit, und ist damit nie so erfolgreich wie bei einem etablierten Künstler. Das führt zum Bruch.“ So arrangierte Adler zwar das Vorspiel von Anne-Sophie Mutter bei Herbert von Karajan, musste die Künstlerin, als sie berühmt geworden war, aber doch ziehen lassen. „Verzeihen, wenn jemand weggeht, kann man“, so Adler. „Bringt aber auch nichts. Reisende soll man nicht aufhalten.“
Opernregisseur Barrie Kosky sorgte bei seiner Inszenierung von Franz Schrekers Oper „Die Gezeichneten“ in Zürich für einen kleinen Skandal, als er zum Schlussapplaus mit einem T-Shirt erschien, das ein Foto des jungen Josef Stalin zeigte. Einen Aufruhr in der Presse ließ Kosky zunächst unkommentiert. „Oh je!“, so Kosky später in Berlin. „Das T-Shirt war das Geschenk eines Freundes, der es in einem schwulen Laden in London gekauft hatte. Ich trug es aus Gag auf der Probe, und habe nicht richtig nachgedacht, als ich es auch zur Premiere anzog.“ Es sei kein bewusstes Statement damit verbunden gewesen, so Kosky. Auf den Einwand, dass es aber trotzdem ein Statement war, räumte er ein: „Ja, war es. Es war ein Fehler.“
Daniel Barenboim ist stolz darauf, im West-Eastern Divan Orchestra auch Musiker zu beschäftigen, die als Flüchtlinge in Europa leben. „Wir haben zwei oder drei Musiker in der Akademie, die als Flüchtlinge nach Deutschland gekommen sind“, so Barenboim vor seiner US-Tournee. „Sie spielen dann auch im Orchester. Die meisten unserer Mitglieder leben im Exil. So wie auch ich.“ Nur gebe es natürlich unterschiedliche Sorten des Exils. „Meine besteht darin, dass ich in Berlin eine Nische gefunden habe. Ich bin zwar kein Deutscher, sehe mich aber als Berliner.“
Komponist George Benjamin, Composer in Residence bei den Berliner Philharmonikern, war der Lieblingsschüler von Olivier Messiaen. Es „gelang mir als einem von ganz wenigen, ihn zum Lachen zu bringen“, so seine Erklärung. „Ich war damals, und bin es immer noch, ein guter Hunde-Imitator. Bellen, hecheln, japsen, das alles machte Messiaen viel Freude. Er lachte endlos“, so Benjamin. Nur gut, dass Messiaen zwar einen „Katalog der Vögel“ komponiert hat, aber keinen „Katalog der Hunde“. Sein Schüler wäre schuld gewesen.

Robert Fraunholzer, 22.12.2018, RONDO Ausgabe 6 / 2018



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