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(c) Ludwig Olah
Sergei Prokofjews opus magnum „Krieg und Frieden“, sein letztes Werk, wird gern skeptisch beäugt. Man fragt sich, wie es möglich sein soll, einen Zweitausendseiter von Leo Tolstoi in ein dreieinhalbstündiges (ursprünglich sogar etwas längeres) Bühnenwerk zu überführen? Tatsächlich findet die erste Szene der Oper statt, wenn im Roman bereits 700 Seiten vergangen sind. Indes waren der Komponist und seine als Co-Librettistin fungierende Ehefrau Mira Mendelson- Prokofjew intime Tolstoi-Kenner. Sie haben zwischen Salon und Pulverdampf, zwischen Liebesgeschichte und Kriegsschauplatz einen konsistenten Dreiakter geschaffen, der musikalisch viel vom Besten enthält, was der späte Prokofjew geschrieben hat. Das Werk blieb selten aufgeführt. Zu Unrecht, wie das Staatstheater Nürnberg demonstriert.
Der neue Intendant Jens-Daniel Herzog hat sich für seine Einstandsinszenierung zu diesem Kraftakt bequemt. Er kann auf seine superbe Generalmusikdirektorin Joana Mallwitz rechnen, die in Nürnberg offenbar schon ihre Fangemeinde hat. Das Orchester hält hellwach zu ihr. Und auch die Protagonisten – darunter Jochen Kupfer als Andrei, eine lyrisch wehrhafte Eleonore Marguerre (Natascha) und der als intellektueller Heißsporn aufs Ganze gehende Zurab Zurabishvili (als Pierre) – führen ein vorzüglich agierendes Ensemble an. Punktgenau die Chöre! Durch brechtisch verfremdende Zwischentitel wird die Handlung so verdeutlicht, dass ein erstaunlich romanhafter Atem durch die Aufführung weht.
Die zwei Drehkreuze, die Mathis Neidhardt zu immer wieder neuen Szenenbildern sich öffnen lässt, sind ein ingeniöser Verwandlungseinfall. Und die Strategie, mit welcher der Feldmarschall Kutusov (Nikolai Karnolski) die napoleonischen Truppen erst Moskau plündern lässt, um sie dann auf dem Rückzug winterlich aufs Kreuz zu legen, bleibt eine erstaunliche, opernhaft lehrreiche Tat. Lange nicht so episch gefühlt! Schon jetzt eine der Aufführungen des Jahres.
Robert Fraunholzer, RONDO Ausgabe 6 / 2018
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