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N° 1354
20. - 29.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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(c) Herwig Prammer

Wüst und leer

Wien (A), Staatsoper: Georg Friedrich Händels „Alcina“

Eine „wüste Insel“, das geht schon in „Ariadne auf Naxos“ als Schauplatz nicht gut. Auf einer Insel, ihrem Zauberreich nämlich, lebt Händels Alcina, Männer in Tiere verwandelnde Hauptperson der gleichnamigen Seria von 1735. Am Theater an der Wien inszeniert das Tatjana Gürbaca. Die steht unter Beobachtung seit raus ist, dass sie 2020 den nächsten Bayreuther „Ring“ inszenieren soll. Jetzt aber enttäuscht sie mit dieser Frauenoper.
Öd, leer, rauchend und grau ist diese Drehbühnenwelt vor gerölligem Rundhorizont, auch wenn da noch ein wenig Party läuft. Alcina in bettdeckenähnlich gepuffter Robe, ein spätes Blumenmädchen, verstrickt sich in ein erstaunlich modern anmutendes Musikdrama der verwirrten Gefühle und fließenden Geschlechtergrenzen, der Selbstsucht und der amourösen Unbedingtheit. Die graugekleideten Eindringlinge Ruggiero und Bradamante legen ihre abgeschottete Welt nicht nur emotional in Trümmer.
Gürbaca inszeniert das schwerfällig und spröde mit viel ausgedacht psychologisierender Aktion, die aber auch leicht albern wirkt, wenn sich etwa Alcinas Schwester Morgana und der in sie verliebte Vertraute Oronte ihrer verlorengegangenen Liebe versichern, indem sie sich beide die Herzen ausreißen. Es wird viel in Unterwäsche gebarmt, es gibt Doubles, eine Schaukel, Feuerwerk und Regen, Minischiffe, komplizierte Parallelaktionen und szenische Rätsel.
Alcina ist eine Resignierte, und Marlis Petersen tönt fragil, koloriert ihren hellen Sopran mit bleichen Farben. Mirella Hagens wenig soubrettige Morgana kämpft mit dem richtigen Händel-Stimmsitz, auch die monochrom dunkle Katarina Bradić gurgelt die Bradamante leicht unsauber. Intensiv, in der Höhe schrill singt David Hansen den Ruggiero, Rainer Trost ist ein eintöniger Oronte.
Enttäuschend auch, was aus dem Graben trocken und glanzlos klingt: Stefan Gottfried versucht sich als Harnoncourt-Nachfolger beim in die Jahre gekommenen, wenn auch personell verjüngten Concentus Musicus. Das prickelt nur selten, lebendig wird es erst im zweiten Teil, der abwechslungsreicher, drängend, kontrastiv gerät.

Matthias Siehler, 17.11.2018, RONDO Ausgabe 5 / 2018



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