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N° 1353
13. - 24.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



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Nochmal Dresden: Der zugleich ehemalige und neue Chef Marek Janowski (c) Björn Kadenbach

Pasticcio

Generationenwechsel gefragt

Im Grunde wusste Christoph Eschenbach bereits ab seinem 11. Lebensjahr, dass er zum musikalischen Mannschaftsspieler geboren ist. Nachdem er 1951 ein Konzert der Berliner Philharmoniker unter Wilhelm Furtwängler besucht hatte, stand für ihn fest, dass er irgendwann selber einmal „ein Kollektiv von Musikern in Ekstase, ja in Raserei“ bringen möchte. Eschenbach schlug zwar zunächst eine erfolgreiche Pianistenkarriere ein. Als er aber 1972 erstmals in Hamburg vor einem Orchester stehen durfte, startete sein beachtlicher internationaler Karriereweg an auch erstklassigen Pulten. Mittlerweile ist Eschenbach aber nicht allein in die Jahre gekommen; auch seine Art des Musizierens lässt nicht mehr hoffen, dass er ein Orchester noch mal „in Ekstase, ja in Raserei“ versetzen wird (eine Kunst, die den Dirigenten Eschenbach sowieso nie ausmachte). Aber wie es eben für das ewig kreisende Dirigentenkarussell typisch ist, finden selbst schon etwas hochbetagtere Vertreter ihrer Zunft immer das richtige Tempo, um noch rasch draufzuspringen und damit ihren vielleicht letzten festen Job zu ergattern. Und so ist im Sommer das passiert, was nicht wenige professionelle Kenner der Berliner Klassik-Szene befürchtet haben: Mit 78 Jahren wurde Christoph Eschenbach tatsächlich noch auf den Chefdirigentensessel beim Berliner Konzerthausorchester gehievt. Ab der Spielzeit 2019/20 geht es dann los. Zunächst für drei Jahre, in denen Eschenbach sich auch für die Neue Musik einsetzen will. Und Berlins Kultursenator Klaus Lederer legte schon mal die Meßlatte ziemlich hoch: „Mit Eschenbach bekomme Berlin einen der großen Dirigenten weltweit“, so Lederer bei der Präsentation. Klar, und die Erde ist eine Scheibe…
Nicht ganz so superlativistisch haben die Kulturverantwortlichen in Dresden jetzt ihren neuen Mann am Pult der Philharmonie vorgestellt. Andererseits hatten es ja die Spatzen schon lange von den Dächern gepfiffen, dass Mark Janowski die Nachfolge von Michael Sanderling antreten wird. Und nachdem das Orchester sich wohl einhellig für ihn ausgesprochen hatte, war die Vertragsunterzeichnung noch eine Formalie. Ein Jahr älter als Eschenbach ist Janowski, der schon von 2001 bis 2003 die Dresdner Philharmonie geleitet hatte. Und wie sein Berliner Kollege wird er ab 2019/20 ebenfalls erst einmal nur für drei Jahre Dresdens neuen Konzertsaal bespielen. „Dieser Saal, der solch wunderbare Möglichkeiten für die Entwicklung des Orchesters gibt und manch faszinierende Programme erlaubt, hat mir den letzten Kick gegeben“, so Janowski. „Ausschlaggebend war die Sechste von Mahler kurz nach der Kulturpalast-Eröffnung. Ich bin eigentlich kein Mahler-Fan. Aber die Sechste ist ein ‚Teststück‘ für einen neuen Konzertsaal. Ich bin vom klaren Klang wirklich begeistert.“
Während also Eschenbach und Janowski zusammen knapp 160 Jahre Dirigentenerfahrung auf die Waage bringen werden, gibt es andernorts einen Kollegen, dessen Amtsantritt den Altersdurchschnitt dieser Altherrenriege ganz schön drückt. Es ist der 38-jährige Hannoveraner Cornelius Meister, der mit dieser Saison den Posten als neuer Generalmusikdirektor der Oper Stuttgart antreten wird. Und dass Meister schon lange zu Höherem berufen war, hatte er nicht zuletzt als Chefdirigent und Künstlerischer Leiter des Radio-Symphonieorchesters Wien (RSO) unter Beweis gestellt. Sein Antrittskonzert als neuer GMD findet am 8. Oktober in der Stuttgarter Liederhalle statt. Und das Programm ist mehr als vielversprechend und hat das Zeug, Orchester und Publikum gemeinschaftlich in Raserei zu versetzen. Auf John Cages tonloses Kult-Stück „4`33“ und Haydns Sinfonie Nr. 6 folgt schließlich Gustav Mahlers Sinfonie Nr. 7.

Guido Fischer



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