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N° 1354
20. - 30.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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(c) Günter Hänssler

15 Jahre „Profil“

„Auch ich erlebe Überraschungen“

Unter dem Label „Profil“ produziert Günter Hänssler seit nun bereits 15 Jahren Neuaufnahmen und Mitschnitte großer Konzertmomente aus den Rundfunkarchiven.

RONDO: Sie sind nicht erst seit 15 Jahren im Geschäft, sondern ein alter Hase. Was waren Ihre größten Erfolge?

Günter Hänssler: Nachdem wir den Exklusiv- Vertrag mit Helmuth Rilling geschlossen hatten, war unsere erste Produktion die „Missa per Rossini“. Davon haben wir im ersten Jahr 35.000 Stück verkauft. Das waren noch Zeiten! Derzeit sind wir, glaube ich, die einzige Plattenfirma, die in den letzten drei Jahren den Umsatz verdoppelt hat.

RONDO: Was bedeutet das konkret?

Hänssler: Das ist schwer zu beantworten, denn wenn wir 2.000 Bach-Boxen mit 172 CDs in einem Jahr verkaufen, dann ist das natürlich wesentlich interessanter, als wenn wir 8.000 Einzel-CDs verkaufen. Aber, es sind schon Millionen CDs, die pro Jahr unter die Leute kommen.

RONDO: Wie verläuft eine typische Produktion, angefangen bei der Künstler-Auswahl?

Hänssler: Als ich noch jung war, hat mir ein Engländer eine Regel mit auf dem Weg gegeben, die heute noch gilt: „Artists that perform will sell.“ Dann kommen die Fragen: Welcher Raum, welcher Tonmeister und welches Repertoire? Ich dränge nie einem Künstler eine Repertoire- Wunschliste auf. Der macht das dann zwar möglicherweise – wenn sein Herz aber nicht dabei ist, werden Sie das hören.

RONDO: Welche Klangästhetik bevorzugen Sie?

Hänssler: Eine Mischung aus warm und luftig. Ich bin kein großer Freund von eskalierendem Einsatz von Kompressoren. Mit einzelnen Studios arbeite ich extrem viel zusammen.

RONDO: Welche Longseller haben Sie im Programm?

Hänssler: Helmuth Rillings „Weihnachtsoratorium“, die h-Moll-Messe, Matthäuspassion, Johannespassion, „Elias“. Und was die Staatskapelle Dresden angeht: die Einspielungen von Haitink und Thielemann. Aber da gibt’s natürlich auch ein Gefälle: Wenn wir mit der Staatskapelle Dresden Busonis „Nocturne“ veröffentlichen, wissen wir, dass die Kunden nicht die Läden stürmen. Das sieht bei Bruckner, Wagner, Strauss und Beethoven anders aus. Und dann gibt’s Themen, an die würde keiner denken. Zum 100. Geburtstag von Joseph Schmidt haben wir eine Compilation gemacht, die sich nach wie vor verkauft.

RONDO: Da würde man nur mit wenigen Spezialisten rechnen?

Hänssler: Ich hätte es auch nicht geglaubt. Aber jeder Produzent, der von sich behauptet, er weiß alles, ist ein Scharlatan. Auch ich erlebe Überraschungen. Die ganz großen Verkäufe sind immer meine Boxen gewesen.

RONDO: Die Branche jammert, der CD-Markt ist rückläufig. In dieses Lamento stimmen Sie nicht mit ein?

Hänssler: Bei den Konzernen gab es eine Zeit lang die Politik, bewusst Marketing-Leute zu holen. Aber es gibt halt dieses ernsthafte Klassik- Publikum nach wie vor. Und die wollen nicht nochmal die „Vier Jahreszeiten“ haben, denen muss ich etwas anderes anbieten. Bei uns gibt es genau zwei feste Mitarbeiter, mich und die Vertriebsleiterin. Der große Rest ist frei, arbeitet aber z.T. seit der Gründung mit. Wir sind keine Company mit 1.000 Meetings, sondern wir können noch richtig schaffen.

RONDO: Wie bedienen Sie das Internet-Angebot?

Hänssler: Wir sind mitten drin. Im Augenblick finden sie uns auf 430 bis 440 Digital-Plattformen. Wir verdienen da richtig Geld.

RONDO: Wohin steuert die Branche?

Hänssler: Ich glaube, dass es künftig neue Formate wie HD geben wird, die sich durchsetzen werden. Fast alle Aufnahmen werden im Augenblick mit 24 oder 32 bit gemacht. Und die CD ist halt auf 16 bit beschränkt! Ich bin davon überzeugt, dass es irgendwann einen anderen Träger geben wird. Gerade eben haben wir ein Experiment mit Siemens zusammen gemacht, mit einer „Blu-Ray immersive-Sound“-Geschichte. Wenn etwas besser klingen kann als bisherige Formate, dann interessiert mich das.

Regine Müller, 29.09.2018, RONDO Ausgabe 4 / 2018



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