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N° 1353
13. - 24.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



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Das Ende einer Affäre: Sabine von Schorlemmer und Serge Dorny im Herbst 2013 (c) Matthias Creutziger

Pasticcio

Teure Sprachlosigkeit

Nun ist es also amtlich: die Rechtsstreitigkeiten zwischen dem Freistaat Sachsen und dem Kurzzeit-Intendanten der Semperoper Dresden, Serge Dorny, sind in einem außergerichtlichen Vergleich geklärt worden. 350.000€ - statt der kompletten Vertragssumme von stolzen 1,7 Mio. € - muss das Land dem Intendanten der Oper Lyon bezahlen. Viel Lärm um nichts. Wenn man einmal von der vorübergehenden Beschädigung einer künstlerischen Führungspersönlichkeit als auch eines Hauses von Weltruf, wenn schon nicht von Weltrang, absieht.

Wir erinnern uns: Im September 2013 glückliche Gesichter in Dresden. Da unterzeichneten die damalige Wissenschafts- und Kulturministerin Sachsens, Sabine von Schorlemmer, und der designierte Semperopernintendant Serge Dorny Seit an Seit den Fünfjahres-Vertrag für einen Chefposten von internationaler Ausstrahlung. Doch das dicke Ende kam prompt. Nach einer Startphase voll künstlerisch inspirierender Projekte offenbarte sich - in schleppender Kommunikation mit dem Ministerium und nur scheibchenweise – ein Kompetenzkonflikt zwischen Intendant und Chefdirigent der Sächsischen Staatskapelle, Christian Thielemann. So berichtete es jedenfalls Serge Dorny selbst. In einem Offenen Brief, mit dem er auf einen beispiellosen Paukenschlag reagierte: Denn schon im Februar 2014, keine fünf Monate später, stellte von Schorlemmer, sekundiert von Thielemann, den Noch-Nicht-Intendanten Dorny in einer hausseitigen Pressekonferenz wieder kalt. Vertrauen sei „in kürzester Zeit verspielt“ worden, die Umstände hätten eine fristlose Kündigung erfordert, „um Schaden für die Oper im In- und Ausland abzuwenden“.

Dorny hatte das natürlich anders erlebt und verwies auf den von Anbeginn an seitens Ministerium geradezu umschifften Führungsstreit: Er habe die Ministerin seit November 2013 darauf aufmerksam gemacht, dass zentrale Besetzungs- und Planungskompetenzen seiner Stellenbeschreibung de facto in Thielemanns Bereich fielen, auch dort vertraglich zugesichert, und um Lösung ersucht. Doch auf seine Bitten nur Schweigen geerntet.

Der Eklat war perfekt. Für den beschädigten Dorny war es ein Glücksfall, dass ihn die Oper Lyon ohnehin ungern gehen ließ. So einigte man sich schnell über eine Fortsetzung seiner schon aufgekündigten Intendanz.
Gegen die fristlose Kündigung seines Vertrags reichte er dennoch Klage ein – und bekam Recht. 2016 bestätigte das Oberlandesgericht Dresden in zweiter Instanz, dass die Entscheidung der Kulturministerin der Grundlage entbehre. So musste der Freistaat den Schaden tragen, obwohl das Sächsische Ministerium seinerzeit umgehend verlauten ließ, man gehe „davon aus, dass es zu keiner finanziellen Belastung des Freistaates Sachsen kommt.“ Die im Vergleich nun ausgehandelten 350.000€ mögen schmerzhaft sein, aber vielleicht lässt sich eine „Belastung“ unter Verweis auf das Gesamtbudget wegreden.

Nicht ausbleiben wird aber der Spott, für den ein Geschädigter sprichwörtlich nie zu sorgen braucht. Spätestens, wenn Serge Dorny ab 2021 in den Fußstapfen von Nikolaus Bachler die Intendanz der Bayerischen Staatsoper übernimmt und er dann unter Beweis stellen sollte, dass seine Musiktheater-Ideen zugkräftige Wirklichkeit werden können.

Reinhard Lemelle



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