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13. - 21.04.2024

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Unterm Strich

Ramsch oder Referenz? CDs, vom Schreibtisch geräumt.

Zu viele gute Konzertpianisten haben ihre Karriere schon am sicheren Nagel der nächstbesten Musikhochschulprofessorenstelle aufgehängt. Besonders traurig ist das immer dann, wenn sie zu den wenigen Großmeistern gehören, die sich, im Unterschied zum hydramäßig nachwachsenden Gros der Nachwuchspianisten, noch daran erinnern, wie man „Töne in höhere Worte“ verwandelt – im Schumannschen Sinne. Florian Uhlig ist so einer. Er bringt das Klavier zum Atmen, Singen und Sprechen. Seit vier Jahren unterrichtet er jetzt schon in Dresden. Seither tritt er hierzulande nicht mehr auf, aber immerhin, ab und zu muss Uhlig noch ins Studio, denn seine mehrfach ausgezeichnete Edition aller Solo-Klavierwerke Robert Schumanns (Hänssler/Naxos) ist erst zu zwei Dritteln fertig. Es handelt sich, weil er auch apokryphe Fassungen mit einspielt, um die erste echte Gesamtaufnahme, mit allen zwischen 1830 und 1854 entstandenen Original-Klaviermusiken Schumanns. Kürzlich kam Volume 11 heraus, heißt „Schumann und E. T. A. Hoffmann“ und bietet neben den „Kreisleriana“ op. 16 die „Nachtstücke“ op. 23 dar sowie die acht „Fantasiestücke“ op. 12 plus ein sich mählich eindunkelndes f-Moll-Stück, das ursprünglich für op. 12 vorgesehen war. Und alles fließt! Jede Nuance ist klug ausgeleuchtet, leicht und tief tönt das, klar und vieldeutig zugleich, mit Eleganz und Akkuratesse und einer paradiesischen Selbstverständlichkeit.

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Nichts versteht sich von selbst beim bewährten Trio Accanto, weder die Jazzbesetzung, mit Saxofon (Marcus Weiss), Klavier (Nicolas Hodges) und Perkussion (Christian Dierstein) noch der Titel des neuen Albums: „Songs and Poems“ (Wergo/Naxos). Niemand singt, niemand dichtet. Erst ganz am Ende von Walter Zimmermanns glockendurchwehter Wüstenwandererfantasie „As I Was Walking I Came Upon Chance“ von 2008 wagt das Saxofon einen kurzen, einsamen Gesang. Extrem tiefe, isolierte Einzeltöne, im Dialog mit extrem langen Pausen zerpflücken Wolfgang Rihms „Gegenstück“ von 2006. Und auch für die Trio-Werke von Andreas Dohmen und von Hans Thomalla, erst recht für Aldo Clementis „Tre Ricercari“ (2000) gilt dieses Credo der Melodieverweigerung. Romantik pur, aber das doch bitte ex negativo. Wozu dann dieser Titel? Im Booklet heißt es: „Vielleicht eine Liedersammlung, die von Liedern nur träumt.“

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Komplett hieß dieser Mann, der einst die GEMA mit gründen half: Hans Friedrich August Zincken genannt Sommer. Drei Vor- und zwei Nachnamen. Drei Berufe, eine Berufung. Erfolgreich als Mathematiker, Physiker und Optiker leitete Zincken tagsüber eine Hochschule, nachts komponierte er. Als er 47 war, ging er in Frühpension, um endlich ganz für die Musik zu leben, fortan nannte er sich nur noch Hans Sommer. Nicht verwandt, nicht zu verwechseln. Die meisten der jetzt von Constance Heller und Gerold Huber eingespielten Lieder Sommers sind Ersteinspielungen (Solo Musica/Sony). Abgesehen von den drei späten Goethe-Liedern op. 20 klingen sie eines wie das andere. Linear deklamiert die Singstimme, füllig in Floskeln korrepetiert das Klavier, und Hellers Mezzo-Sopran sitzt auch nicht immer so konzentriert im Fokus, wie es sein sollte. Am Ende ist die bunte Biografie doch das Bemerkenswerteste an diesem Sommer, und der überlieferte Satz „Fahren Sie nur so fort“, den Franz Liszt zu ihm sprach, den er 1884 aufgesucht hatte, um ihm ein paar Lieder vorzulegen, könnte reine Höflichkeit gewesen sein.

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Langsame Trauermärsche mit Zither und gestopfter Trompete und dem schwermütigen Schlurfen von zu spät vom Boden gehobenen Absätzen sind die Spezialität der Musicbanda Franui. Jetzt aber hätten diese zehn Musiker aus Ost-Tirol mal echt Grund zu heller Freude. Sie feiern ein Jubiläum, „Ständchen der Dinge“ heißt diese Franui-Geburtstags-CD, ein Album voll mit austriakischen Gastgeschenken, genial verbogenen Reprisen und köstlichsten Kassenstürzen (col legno/harmonia mundi). Hinreißend ein Melodram frei nach Brahms, mitgebracht von Peter Simonischek, der fragt nach: „Geht es immer so weiter?“. Na, hoffentlich.

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Eleonore Büning, 16.06.2018, RONDO Ausgabe 3 / 2018



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