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N° 1354
20. - 28.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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Retro-Diskothek

»Das Neue ist selten das Gute«, meinte Schopenhauer, »weil das Gute nur kurze Zeit das Neue ist.« Aus der Fülle der Wiederveröffentlichungen auf CD stellt Michael Wersin in seiner »Retro-Diskothek« die besten der guten alten Scheiben vor.

Der SWR ehrt seinen Gastdirigenten Carl Schuricht (1880– 1967) mit einer zweiten Box buntgemischter Studioaufnahmen und Live-Mitschnitte (die erste erschien im Jahre 2007). Zwischen 1951 und 1966 wurden die hier präsentierten Interpretationen dokumentiert: Einige Beethoven- Sinfonien (darunter die dritte, fünfte und sechste), die durch strikte Geradlinigkeit und völlige Abwesenheit agogischer Tricksereien überraschen; eine leuchtend intensive, warme „Fünfte“ von Schubert; wuchtige, energiegeladene Brahms-Sinfonik, aber auch eine höchst eindringliche Version der „Alt-Rhapsodie“ mit der stimmgewaltigen Lucretia West als Solistin; erstaunlich klar durchstrukturierter Debussy (der Beginn von „La Mer“ ohne die üblichen Nebelschwaden) und Manches mehr aus dem 19. Jahrhundert. Dazu einige modernere Werke, die heute längst vergessen sind: Günter Raphaels „Sinfonia breve“ etwa oder Robert Oboussiers „Violinkonzert“. Stunde um Stunde mag man sich vertiefen in diese Klänge einer versunkenen Zeit, initiiert von einem der ganz großen Dirigenten des 20. Jahrhunderts, dessen eigene musikalische Vita noch deutlich im 19. Jahrhundert verwurzelt war.
Carl Schuricht Collection II, 10 CDs, Hänssler Classic

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Schurichts letzte Station im Deutschland des Zweiten Weltkriegs war Dresden: Hier wurde er im Oktober 1944 Chef der Philharmonie, verließ aber schon im November fluchtartig die Stadt, um sich in der französischen Schweiz niederzulassen. Zu jener Zeit versammelten sich in Dresden noch einmal einige der größten Richard-Wagner-Interpreten der damaligen Zeit, um in konzertanten Aufführungen in der Semperoper die Früchte vorangegangener Wagner-Inszenierungen darzubieten; Christel Goltz, Margarete Teschemacher, Lorenz Fehenberger und Kurt Böhme waren darunter. Mitte Februar 1945 versank unter den Bombenangriffen der Alliierten auch die Semperoper in Schutt und Asche. Nach dem Krieg lief die traditionell starke Richard- Wagner-Rezeption in Dresden nur sehr zögerlich wieder an: U.a. ideologische Vorbehalte spielten dafür wohl eine Rolle. Die Folge 3 der „Semperoper-Edition“ hat es sich zur Aufgabe gemacht, auf drei CDs die Wiederaufnahme der Dresdner Wagner-Tradition nach dem Krieg exemplarisch zu dokumentieren. Im April 1949 brachte man in der Semperoper mit dem „Tannhäuser“ erstmals wieder eine Wagner-Oper auf die Bühne. Davor gab es vereinzelte Rundfunkproduktionen des MDR, aus denen hier Ausschnitte zu hören sind: Christel Goltz u. a. mit „Isoldes Liebestod“, „Tannhäuser“-Szenen mit Bernd Aldenhoff und Margarete Bäumer, die „Meistersinger“-Ouvertüre unter Joseph Keilberth als Mitschnitt von den Wiedereröffnungs- Feierlichkeiten am 24. September 1948 … ein Fest der großen Stimmen und des beseligten Dirigierens in schwieriger, entbehrungsreicher Zeit – liebevollst aufbereitet mit einem vorbildlichen Beiheft. Wieder Wagner? Die ersten Dresdner Nachkriegsaufnahmen. 3CDs, Profil Edition Günter Hänssler

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Michael Wersin, 30.11.1999, RONDO Ausgabe 5 / 2012



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