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Joachim Kaiser † (bei der Veranstaltung „Gruppe 47 – sechzig Jahre danach“ 2007, © kai abresch photography/Wikimedia)
Es gab Zeiten, da gehörten gleichzeitig „Süddeutsche Zeitung“ und „Die Bunte“ ein wenig zur Pflichtlektüre für an klassischer Musik interessierte Leser. Denn in der Münchner Tageszeitung wie im wöchentlich erscheinenden Klatschmagazin konnte man IHN lesen, den Kaiser! Und ob er nun in seinem Hausblatt, in der SZ, etwa die neueste Horowitz-Platte kritisch unter die Lupe nahm oder in seiner regelmäßigen „Bunten“-Kolumne sich dem klassischen Werkkanon widmete – hier wie da schlug Joachim Kaiser immer auch diesen gewissen Plauderton an, der einen sofort für das begeisterte, was er gerade mal wieder von seinem riesigen Themenberg abgearbeitet hatte.
Obwohl: Wie bei jedem passionierten Liebhaber hatte man bei Kaisers unglaublichem Output, mit dem er viele Jahrzehnte wie kein Zweiter den Kulturbetrieb begleitet hatte, nie das Gefühl, dass irgendetwas ihm jemals schwer aus der Feder geflossen wäre. Vielmehr wurde er mit seinen Besprechungen, Büchern, Essays, Kolumnen, Preisreden und Radiosendungen zum Inbegriff eines Journalisten, der gerade das angeblich Unbeschreibbare, das schwer in Worte zu fassende Phänomen „Musik“ so unnachahmlich leicht zu fassen bekam. Und wenngleich er auch der mächtigste Musikkritiker war, so holte er nicht zum vernichtenden Keulenschlag aus, wenn ihm einmal etwas nicht gefiel. Kaiser blieb auch dann im Ton menschlich.
Sein angeborenes Talent hatte sich schon früh angedeutet. Denn noch zu seinen Studentenzeiten, mit 23 Jahren, schrieb er 1951 für die legendären „Frankfurter Hefte“ eine derart brillante Rezension von Adornos Manifest „Philosophie der Neuen Musik“, dass der strenge Musikphilosoph seinen späteren Schüler sofort kennenlernen wollte. Von da an ging es für Kaiser, der 1928 in Ostpreußen geboren wurde, steil bergauf. Ab 1953 bildete er zusammen mit Marcel Reich-Ranicki, Walter Jens und Fritz J. Raddatz eine wortgewaltige Boygroup bei den Tagungen der Gruppe 47. Und 1959 wurde er Leitender Redakteur im Feuilleton der „Süddeutschen Zeitung“, wo er fast ein halbes Jahrhundert lang mit seinen unzähligen Artikeln das Musik-, Theater- und Literaturleben begleitete. Selbst als er später auch eine Professur an der Stuttgarter Musikhochschule übernahm, kannte er publizistisch keine Grenzen. Seine Bücher wie „Die großen Pianisten in unserer Zeit“ und „Beethovens 32 Klaviersonaten und ihre Interpreten“ sind auf ihrem Gebiet längst Klassiker. Und mit seinen erfolgreichen Ratgebern wie „Kaisers Klassik“, aber auch mit seinen Video-Fragestunden „Kaisers Klassik-Kunde“, ließ er die breite Klassik-Öffentlichkeit an seinen Vorlieben und Erkenntnissen teilhaben – wobei er es geschickt anstellte, seinen vermeintlich subjektiven Betrachtungen und Einschätzungen eine objektive Gültigkeit zu verleihen. Jetzt ist Joachim Kaiser im Alter von 88 Jahren in München verstorben.
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