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Thüringen, Sachsen, Brandenburg: Selbst in den kleinsten Städtchen werden Erinnerungen an ihre musikgeschichtlich glänzende Vergangenheit gepflegt. Allein die Wallfahrtsorte für Bach-Liebhaber sind zahlreich und die Spuren des Meisters noch lesbar: Eisenach, Arnstadt, Ohrdruf, Mühlhausen und Köthen sind nur die kleineren Stationen von Bachs Vita, und (fast) alle würdigen den barocken Giganten mit eigenen Festivitäten. Aber auch Händel stammt bekanntlich aus dem Osten, nämlich aus Halle an der Saale, ferner Telemann, der in Magdeburg das Licht der Welt erblickte. Auch Richard Wagner war bekanntlich gebürtiger Sachse, sein Schwiegervater und Gönner Franz Liszt verbrachte viel Zeit seines Lebens in Weimar, und Robert Schumann wurde in Zwickau geboren. Diese überaus reiche Tradition spiegelt sich zu nicht ganz gleichen Teilen in der Festivallandschaft. Dort ist vor allem Bach reich vertreten. Aber der Rest zieht nach.
Die Thüringer Bachwochen (7. April – 1. Mai) sind das größte Musikfestival Thüringens und haben sich auf Barockmusik, das Riesenwerk Johann Sebastian Bachs und der Bachfamilie an den authentischen Bachstätten spezialisiert. In diesem Jahr gastieren u. a. die Geigerin Midori Seiler mit Bachs Werken für Solo-Violine und das fabelhafte, hierzulande noch wenig bekannte Ensemble Concerto Romano mit einem Konzert, das Werke zu Gehör bringt, die einst in der Karwoche in der Sixtinischen Kapelle erklungen sind. Ferner kommt Jörg Widmann mit Messiaens „Quatuor pour la fin du temps“, und der Pianist Francesco Tristano visualisiert mit einem Multimedia- Projekt in der Arena Erfurt Bachs Goldberg-Variationen. Im Abschlusskonzert tritt Christina Pluhars Ensemble „L’Arpeggiata“ mit der Sopranistin Nuria Rial auf.
Opernnachwuchs kann man beim Festival Kammeroper Schloss Rheinsberg (30. Juni – 13. August) in Aktion erleben. In seiner 27. Ausgabe stehen wieder junge Sänger aus aller Welt auf der Bühne im stimmungsvollen Ambiente der Schlossanlage, der Kurt Tucholsky einst ein literarisches Denkmal setzte. In diesem Jahr stehen auf dem Programm die Uraufführung „Tucholskys Spiegel“ von James Reynolds und Bizets Evergreen „Carmen“ im historischen Heckentheater.
Die ehrwürdigen Händel-Festspiele (26. Mai – 11. Juni) in Halle stehen in diesem Jahr unter dem Motto „Original? – Fälschung?“ Bereits im 18. Jahrhundert waren Urheberrechtsfragen ein wichtiges Thema, Händel selbst bemühte sich beim englischen König um ein Druckprivileg, um sich gegen die ungefragte Vervielfältigung seiner Kompositionen zu wehren. Dennoch ist im Falle Händels längst nicht geklärt, was eigentlich Original, was Kopie oder gar Fälschung ist. Das üppig bestückte Programm in Halle bietet als einen der Höhepunkt die szenische Aufführung von Händels Oratorium „Jephta“, die von der schwer angesagten Tatjana Gürbaca besorgt wird, am Pult steht der Kölner Originalklang-Experte Christoph Spering.
Unter dem schönen Motto „Rollenspiele“ steht die zweite Liszt-Biennale Thüringen (31. Mai – 5. Juni). An neun Konzertstationen zwischen Altenburg und Weimar gibt es Gängiges und wenig Bekanntes des im Konzertsaal heute rar gewordenen Multitalentes, große Sinfonik und Kammermusik wollen daran erinnern, dass Liszt in seiner dortigen Wirkungszeit Weimar zu einem Zentrum der europäischen Musikkultur machte und mit seinen Ideen ein Wegbereiter des heutigen Musiklebens war.
In der Hauptstadt ist das Musikangebot so reich, dass Festival-Dichte dort eigentlich ein Dauerzustand ist. Das nächste Musikfest Berlin (31. August – 18. September) bietet dennoch ein besonderes Schmankerl: Der große John Eliot Gardiner kommt mit allen drei erhaltenen Opern von Claudio Monteverdi anlässlich dessen 450. Geburtstags in einer halbszenischen Aufführung.
Nebenan widmen sich die Musikfestspiele Potsdam Sanssouci (9. – 25. Juni) den vier Elementen Erde Feuer, Wasser und Luft. Passend zum Ambiente treten dort Stars der Alten Musik auf: Thomas Hengelbrock mit seinen Balthasar-Neumann-Ensembles. William Kentridges legendäre Inszenierung von Monteverdis „Ulisse“ mit der Handspring Puppet Company aus Kapstadt ist dort zu sehen und einige vergessene Meisterwerke wie u. a. die Oper „Los elementos“ von Antonio de Literes, oder das Oratorium „Il diluvio universale“ von Michelangelo Falvetti.
Ein Leckerbissen für Freunde der „Königin der Instrumente“, der Orgel, sind die 22. Silbermann-Tage (6. – 17. September), die auf den Spuren des genialen Orgelbauers des Barock seine noch existierenden Orgeln zum Klingen bringen und darüber hinaus Exkursionen anbieten. Es gastieren die Meister ihres Fachs, und neben reinen Orgelkonzerten gibt es zum Beispiel auch „Die weltlichen Fantasien des Dr. Luther – Mitten im Leben 1517“ mit dem Calmus-Ensemble und der famosen Lautten-Compagney Berlin.
Regine Müller, 25.03.2017, RONDO Ausgabe 2 / 2017
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