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Das ist unser Anleger zum Rio Marin“, sagt Florence Alibert, Generaldirektorin des Palazzetto Bru Zane in Venedig, nachdem sie die prachtvolle Eingangstür aufgestemmt hat, und deutet auf die hölzernen Planken, unter denen das Wasser des Kanals mit leisem Gurgeln schwappt. „Hier wurde zuletzt auch mal ein Érard-Flügel mit der Gondel angeliefert.“ Konzerte mit historischen Instrumenten in Venedig zu organisieren kann abenteuerlich sein, Lieferwagen gibt es nicht, viele alte Türen sind für einen Flügel des 19. Jahrhunderts zu klein. Ein anderes Instrument wurde einmal mit einem Lastenaufzug durch die hohen Fenster der Gartenseite gehievt.
Dann kommt Alexandre Dratwicki, der wissenschaftliche Direktor der Stiftung. Er ist in einer Position, um die ihn viele Musikwissenschaftler beneiden werden. Zu seinen Aufgaben gehört neben der Forschung auch die praktische Umsetzung des Stiftungsziels: die Erschließung, Veröffentlichung und Verbreitung der französischen Musik zwischen 1780 und 1920. Dazu lädt die Stiftung zu Konzerten im Palazzetto oder der nahe gelegenen Scuola Grande San Giovanni Evangelista, die ansonsten nicht zugänglich ist.
Anders als in vielen öffentlichen Forschungseinrichtungen mangelt es hier nicht an Geld. Ins Leben gerufen wurde der Palazzetto Bru Zane von Nicole Bru, Pharmazeutin und eine der zehn reichsten Frauen Frankreichs. Einfluss auf das Team, das auch von vier Musikwissenschaftlern in Paris unterstützt wird, nimmt sie bewusst nicht: „Auch gefällt ihr nicht unbedingt jede Komposition, die wir für wertvoll erachten, aber sie würde sich nie über uns hinwegsetzen“, beschreibt Dratwicki das Verhältnis zur Stiftungspräsidentin.
Tatsächlich liegen auf dem Gebiet der französischen Romantik abseits der einschlägigen Namen noch viele ungehobene Schätze: Konzerte von Dubois, Sinfonien von Gouvy und Oratorien von David. Nach der Wiedererweckung der Musik aus Versailles gilt es, das Repertoire des 19. Jahrhunderts aus den Archiven zu holen. „Dabei bespielen wir alle Ebenen des Netzwerkens“, erzählt Dratwicki im prachtvoll restaurierten, salongroßen Konzertsaal des Palazzettos, in dem eine ganze Kammermusikreihe zum Karneval stattfindet. „Künstler bekommen Repertoireempfehlungen von uns, dann erstellen wir moderne Notenausgaben, die wir selbst verlegen. Dazu kommen Fachbücher und Tagungsberichte unserer Arbeit. Konzerte mit dem von uns erforschten Repertoire werden auf CD veröffentlicht. Dazu bemühen wir uns für unsere Partner auch um Auftritte auf der ganzen Welt.“ Auch Opernaufführungen unterstützt der Palazzetto, wie Johann Christoph Vogels Goldenes Vlies und dessen anschließende Einspielung bei den diesjährigen Gluck-Opern-Festspielen Nürnberg. Dennoch, als Finanzier will Dratwicki den Palazzetto nicht verstanden wissen, eher als Förderer auf allen Ebenen. „Wir machen nie Komplettfinanzierungen, denn nur Partner die federführend bleiben, sind wirklich am Ergebnis interessiert.“
Carsten Hinrichs, 30.11.1999, RONDO Ausgabe 5 / 2012
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