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N° 1298
25. - 31.03.2023

nächste Aktualisierung
am 01.04.2023



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Tönender Liebesdienst: Puccinis „Madama Butterfly“

Mailand (I), Teatro alla Scala

Captain Benjamin „Blummy“ Francis Pinkerton, der Böse aus „Madama Butterfly“, darf als einer der größten Kotzbrocken der Operngeschichte gelten. Der hässliche US-Bürger, quasi der Donald Trump der Tenöre. Dem sein klanglicher Schöpfer ursprünglich sogar eine Arie verweigerte. Also passend, dass der bei der „Inaugurazione“ der neuen Saison an der Mailänder Scala jetzt von einem Amerikaner verkörpert wurde. Bryan Hymels Stimme ist perfekt unsympathisch. Ein Juwel im französischen Repertoire, fehlt ihr für das italienische Fach jeder Moment von Heiterkeit, Wärme, Sonnenstrahl.
Eine einstige Provokation wird neu verhandelt. Am 17. Februar 1904 hatte hier Giacomo Puccinis „Kleine Frau Schmetterling“ bereits ihre Uraufführung – ein Fiasko. In der Struktur zu modern und zu moralisch zweifelhaft mutete die fernöstliche Kimono-Tragödie an, bei der der amerikanische Marineleutnant seine Juxbraut verlässt und diese den Ehrentod stirbt, als ihr auch noch das Kind genommen wird. Puccini schrieb das Werk sechsmal um, machte den Pinkerton dank einer neuen, fein parfümierten Arie etwas liebenswerter. Erstmals ist jetzt hier die 1982 restaurierte Originalfassung wieder zu sehen.
Auf der aus Schiebepaneelen gebildeten dreistöckigen Bühne inszeniert der Lette Alvis Hermanis, als wäre es 1903. Da wird geliebt und gelitten, geschmachtet und seelenvoll Harakiri begangen. Auch wenn Kirschblüten oftmals nur virtuell aufleuchten. Dafür bereitet Scala-Musikchef Riccardo Chailly dieser weit detailreicher sich ausbreitenden Partitur einen tönenden Liebesdienst. Puccini wird hier quasi auf dem klingenden Silbertablett kredenzt: sinnlich, süffig, duftig fein, aber auch lakonisch brutal.
Chailly und das traumschön spielende Scala-Orchester können es süß und bitter, hart und zart. Da blüht der Geigenschmelz, verschlingen sich die Holzbläserlinien. Puccini als perfekter Manipulator der Gefühle. Und Marie José Siri ist auch deshalb eine so bannende Tragödin, weil ihre Stimme nicht schön beruhigt, sondern packt. Daraus wird große Kunst.

Roland Mackes, 04.02.2017, RONDO Ausgabe 1 / 2017



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