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(c) Simon Fowler/Erato
Von den Countertenören der Oberliga ist Philippe Jaroussky der mit dem hellsten Timbre. Der Franzose ist sozusagen das ätherische Gegenbild von Franco Fagiolis bissfestem, sonorem Organ. Während Fagiolis Stimme manchmal an den legendären Starkstrom-Mezzo von Marylin Horne erinnert, fallen für Jarousskys federleichten Klang Vergleiche schwer. Jarousskys Stimme klingt mitunter wie ein Sopran mit exquisitem Perlmuttschimmer und ist geführt mit instrumentaler Klarheit. Ideal also für geistliche Musik und besonders für Bach.
Tatsächlich ist das Album „Sacred Cantatas“ mit dem Freiburger Barockorchester in jeder Hinsicht ein Glücksfall. Vor drei Jahren ging das Originalklang-Orchester mit Jaroussky mit einem Händel-Programm auf Tour. Damals entstand der Wunsch nach einer gemeinsamen CD. Die Kombination von zwei relativ bekannten Bachkantaten – „Vergnügte Ruh‘, beliebte Seelenlust“ BWV 170 und „Ich habe genug“ BWV 82 – mit kaum bekannten Telemann- Kantaten – „Die stille Nacht“ TWV I:364 und „Jesus liegt in letzten Zügen“ TWV I:983 – ist allerdings ungewöhnlich.
Petra Müllejans, Primgeigerin und Leiterin des Freiburger Barockorchesters, wollte damit bewusst eine Lanze für den immer noch unterschätzten Telemann brechen: „Telemann hat ja tatsächlich über 600 Kantaten komponiert. Es war uns auch deshalb wichtig, sein Werk endlich einmal dem Monopol Bachs gegenüberzustellen. Die Gemeinsamkeiten halten sich bei dieser Gegenüberstellung aber eher in Grenzen. Im Gegenteil, der sehr unterschiedliche Zugang beider Komponisten wird hierbei sehr deutlich. Bach kommt eher von der Rhetorik, aus der oratorischen Tradition, während Telemann seine Kantaten viel dramatischer, sozusagen opernhafter gestaltet. Seine Erzählhaltung als Ich-Erzähler entspricht diesem opernhaften Duktus, denn er bringt Jesus in direkter Darstellung auf die Bühne und identifiziert sich mit dessen Leiden.“
Am Anfang der Idee zu dem Album stand dennoch Bach: „Philippe hatte den großen Wunsch, mit uns Bach aufzunehmen, auch deshalb, weil er erstmalig auf Deutsch singen wollte.“
Von beiden Bach-Kantaten gibt es legendäre Aufnahmen, von „Vergnügte Ruh‘…“ etwa eine mit Janet Baker, während es von „Ich habe genug“ bislang fast nur Aufnahmen in der Bariton- Fassung gibt. Jaroussky singt hier also sozusagen außer Konkurrenz und überrascht in der zweiten Kantate mit einem nie so langsam gehörten Tempo bei der Arie „Schlummert ein“, die Bach offenbar selbst so schätzte, dass er sie in das „Notenbüchlein für Anna Magdalena Bach“ in transkribierter Form übernahm. Jaroussky singt das zu Recht berühmte Stück mit endlosem Atem und zurückhaltender Stimmgebung, fast entrückt und doch enorm stark im Ausdruck. Das Freiburger Barockorchester klingt großartig transparent, aber nicht trocken oder gar ruppig und begleitet mit federnder Musizierlust. Die Vorbilder bei der Bach-Interpretation haben sich gewandelt, sagt Petra Müllejans: „Vor 25 Jahren hätte ich sicher Harnoncourt genannt, vor 20 Jahren Herreweghe, auch Gustav Leonhardt. Aber inzwischen sind wir selbst so alt – nächstes Jahr 30 Jahre! Da bezieht man sich nicht mehr so bewusst auf die Vorgänger.“
Regine Müller, 29.10.2016, RONDO Ausgabe 5 / 2016
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