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Alexander Zemlinskys Leben war kein leichtes. Auch seine mustergültige Karriere – der wahre „American Dream“ eines jeden Komponisten und Dirigenten des ausgehenden 19. Jahrhunderts – und sein Einfluss im öffentlichen Leben der Habsburger- Metropole Wien konnten ihn nicht vor den großen und kleinen Katastrophen bewahren, die das Schicksal für ihn bereithielt. Eine davon hieß Alma Schindler, die berühmt-berüchtigte Muse und streitbare Femme Fatale der Wiener Kunstwelt. Zemlinsky hatte sie 1900 als Kompositionsschülerin aufgenommen, und eine Liebschaft schien vorprogrammiert. Dabei ging Alma mit „ihrem Alex“ nicht gerade zimperlich um. Nach einigem Hin und Her gab sie Zemlinsky, der sich heftig in sie verliebt hatte, den Laufpass – für keinen Geringeren als Gustav Mahler. Die herbe Enttäuschung, die der Komponist davontrug, verfolgte ihn lange Zeit, wenn nicht gar unterschwellig bis ans Lebensende. Neben der Oper „Der Zwerg“ zeugt auch seine sinfonische Fantasie „Die Seejungfrau“ von tragisch unerfüllter Liebe.
Die Vorlage für dieses Werk war Hans Christian Andersens „Die kleine Meerjungfrau“. In dieser Geschichte verliebt sich bekanntlich eine Seejungfrau in einen menschlichen Prinzen und bemüht sich mit allen erdenklichen Mitteln, sein Herz zu erobern. Trotz härtester Entbehrungen erfüllt sich ihr Traum nicht, und sie beschließt zu sterben, um ihn aus dem Schicksal, in das sie ihn verflochten hat, zu retten. Der bescheidene, stets von Selbstzweifeln zerfressene Zemlinsky dirigierte die Uraufführung 1905 selbst – und musste einen weiteren Dämpfer einstecken. Denn im selben Konzert wurde Arnold Schönbergs „Pelleas und Melisande“ gegeben, das aufgrund seiner revolutionären Tonsprache Thema des Abends und der weiteren Musikgeschichte war. Die „Seejungfrau“ dagegen fand keinerlei besonderen Anklang, und beschämt ließ der Komponist das Stück in der Versenkung verschwinden. Den ersten Satz schenkte er, wie sich herausstellte, der Wiener Ärztin und Schriftstellerin Marie Pappenheim, während der zweite und dritte Satz den Komponisten bei der Emigration in die Vereinigten Staaten begleiteten und dort verblieben. 1984 erst fand die Wiederaufführung des so lange auseinander gerissenen und verschollenen Werkes durch das Österreichische Jugendsinfonieorchester unter Peter Gülke statt. Seitdem hat die schaumgeborene Schönheit die Konzertsäle erobert; sechs sehr unterschiedliche Aufnahmen gibt es derzeit auf dem Markt.
Zoltán Peskó und das SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg bleiben auf ihrer 1988 entstandenen Aufnahme gleich irgendwo im Seetang festhängen. Takt für Takt zieht Maestro Peskó die Noten aus den Instrumentengruppen – technisch nicht zu beanstanden, aber leider auch ziemlich zäh. Kein wirkliches Highlight, keine wirkliche Enttäuschung, und nicht wirklich zeitgemäß.
Wie unter Anflügen Karajan’scher Megalomanie verwandelt sich die Seejungfrau bei Thomas Dausgaard und dem Danish National Symphony Orchestra hingegen zu einem regelrechten Schlachtschiff. Damit pflügen sie förmlich durch die Klangwogen des ersten und zweiten Satzes. Der dritte Satz kommt dann doch leichtfüßiger daher, hat es jedoch ein bisschen schwer, nach derart viel Gravität zu erfrischen. Es entsteht ein schweres Klangmystiker- Kino: beeindruckend, professionell, unnahbar.
Die Version von James Judd und dem New Zealand Symphony Orchestra aus dem Jahr 2006 gibt sich als Filmmusik pur! Bläsergischt spritzt von kolossalen Streicherwellen, das Schlagwerk zischt und gurgelt und des Maestros zackig gewähltes Tempo zeigt sich unerschütterlich, wie der Fels in der Brandung. Bei aller Schönheit des Szenarios fehlt einzig doch ein klein wenig mehr Tiefe.
„Vorsicht, Musikwissenschaftler! Angewandte Forschung!“ Solch oder ähnlichen Aufkleber hätte die 2003 erschienene Version der „Seejungfrau“ von Antony Beaumont mit der Tschechischen Philharmonie verdient. Beaumont, selbst einer der wohl bekanntesten Zemlinsky-Forscher, nimmt natürlich ohnehin eine Sonderrolle ein. Seine Interpretation ist ebenso kühl wie makellos und verhältnismäßig trocken aufgenommen. Die Schärfe aller Instrumente und die Transparenz des Klanges sind bestechend, die Tempoangaben setzt der Dirigent mit viel Bedacht um. Das Orchester verfolgt den schnörkellosen Faden Beaumonts mit beeindruckender Kontinuität und souveräner Wendigkeit – Chapeau, ein Meilenstein!
Die wohl wichtigste Entdeckung Antony Beaumonts, 14 verlorene Takte der Komposition, kamen allerdings erst kurz nach der Aufnahme zu Tage. Pech für den Forscher – sie konnte letztes Jahr der Finne John Storgårds mit dem Philharmonischen Orchester Helsinki in seiner Interpretation des Werks erstmals auf CD bannen, und diese setzte sich als die charakterstärkste Aufnahme im Hörvergleich durch. Um es vorwegzunehmen: Ja, es gibt Unsauberkeiten bei besonders langsamen Einsätzen. Das Ausmaß an wohl dosierter Lyrik und mitreißender Atmosphäre lässt darüber jedoch leicht hinwegsehen. Der analytische Ansatz Beaumonts ist erhalten geblieben, wurde aber von Storgårds um viel Seele ergänzt.
Anders Emmanuel Krivine und das Orchestre Philharmonique Du Luxembourg: Bei der brandneuen Aufnahme, hakt es leider an einigen Ecken. Zu häufig klappern die Einsätze zu oft werden Passagen übereilt abgekanzelt. Wie Storgårds, hat auch Krivine die verlorenen Takte in den zweiten Satz aufgenommen, schien aber auf Biegen und Brechen alles daran anders machen zu wollen. Durch die angezogene Handbremse und die fehlende Transparenz geht dabei die ganze dämonische Wirkung der bösen Seehexe flöten. Schade, aber einfach zu weit rausgeschwommen.
Ondine/Naxos
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