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Ein Namenspatron mit Fußnote: Karl Böhm (c) Universal/Unitel
Allzu lange hatten die Wiener Philharmoniker mit der lückenlosen Aufarbeitung ihrer Geschichte während des Nationalsozialismus gewartet. Genauer genommen läuft sie erst seit 2011 dank renommierter Historiker richtig auf Hochtouren. Und mit dem Preisgeld von einer Million Dollar, das das Orchester 2014 zusammen mit dem Birgit-Nilsson-Preis überreicht bekam, will man die historisch-wissenschaftliche Forschungsarbeit verstärkt finanzieren. Auf der Internetseite der Philharmoniker ist ein neuer Aufsatz zu lesen, der sich mit dem Zeitraum 1938 – 1970 beschäftigt (www.wienerphilharmoniker.at/orchester/geschichte/nationalsozialismus). „Ambivalente Loyalitäten“ haben Silvia Kargl und Friedemann Pestel ihre 55-seitige Untersuchung genannt, in der es vor allem um Beziehungsnetzwerke und Interessenverflechtungen geht. „Der Übergang des Orchesters vom Nationalsozialismus in die Nachkriegszeit war von personellen und daher auch politisch-weltanschaulichen Kontinuitäten geprägt“, so die Autoren. Weshalb sie zum Schluss gekommen sind, dass eine Stunde null 1945 im philharmonischen Betrieb faktisch nicht stattgefunden hat. Verdeutlicht wird dies am Bespiel des ehemaligen Wiener NS-Gauleiters Baldur von Schirach, dem man 1942 den Orchester-Ehrenring überreichte. Ende der 1960er verlieh man dem verurteilten Kriegsverbrecher ein zweites Mal den Ehrenring, nachdem er seine Haftstrafe abgesessen hatte. Und möglicherweise war der Überbringer Wilhelm Jerger, ehemals Orchestervorstand von 1938 bis 1945 und Antisemit.
Unrühmliches Beispiel für die Loyalität von Spitzenmusikern zum NS-Regime ist aber auch Karl Böhm. Obwohl nie Parteimitglied, tat er sich als linientreuer Sympathisant hervor. 1934 übernahm er auf Fürsprache von Hitler das Amt des Dresdner GMD und trat damit die Nachfolge von Fritz Busch an, der sich geweigert hatte, mit den Nazis zu kooperieren. Später begrüßte Böhm das Konzertpublikum immer wieder (freiwillig) mit dem Hitlergruß und ließ das Horst-Wessel-Lied spielen. Und auf Intervention von Gauleiter von Schirach erhielt Böhm in Wien die „arisierte“ Villa Regenstreif. Nach einem zweijährigen Auftrittsverbot machte Karl Böhm ab 1947 bekanntermaßen eine Weltkarriere und speziell die Salzburger Festspiele zu seinem zweiten Zuhause.
Nach dem Dirigenten wurde in Salzburg auch ein Saal benannt. Um aber Böhms Rolle im sogenannten „Dritten Reich“ ein wenig neu zu beleuchten, hat das Salzburger Festspieldirektorium nun beschlossen, am Eingang des Karl-Böhm-Saals eine Erläuterungstafel anzubringen, Auf der Tafel soll laut Festspiel-Präsidentin Helga Rabl-Stadler auf eine Internetadresse verwiesen werden, „wo in Deutsch und Englisch die Persönlichkeit Karl Böhms dargestellt wird als das, was er war: Ein großer Künstler, aber politisch fatal Irrender“. So ganz vom Sockel wollte man dieses Dirigentendenkmal anscheinend doch nicht stoßen. Ansonsten hätte man den Saal einfach unbenannt.
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