home

N° 1307
27.05. - 02.06.2023

nächste Aktualisierung
am 03.06.2023



Startseite · Oper & Konzert · Da Capo

(c) Bill Cooper

Glückstaumel seliger Geister: Glucks „Orphée et Eurydice“

London (GB), Royal Opera House

Juan Diego Flórez ist erst 42 Jahre alt, für einen Tenorsuperstar die beste Zeit. Aber der Peruaner mit den Schäfchenlöckchen und den schwarzen Schmachteaugen weiß natürlich, dass für den tenore di grazia – als dessen stilvollster Vertreter er gilt – die Uhr seiner Rossini- Hänflinge und Bellini-Knaben langsam abläuft.
Er baut klug vor. Zum Beispiel mit Glucks Orphée, eine für ihn passgenaue Zwischenstufe hin zu schwereren Rollenbrocken. Für Flórez ist sie hingegen eine gute Möglichkeit, sich auch mal in der Frühklassik zu erproben, mit heldischeren Tönen, aber einem kleineren Orchester. So wie an der Londoner Royal Opera in tieferer Barockstimmung mit John Eliot Gardiner, dem Gluck-Großmeister, mit dessen Monteverdi Choir und den English Baroque Soloists. Mit John Fulljames als Regisseur und dem hochgehandelten Choreografen Hofesh Shechter als Kodirektor wurde zudem der Tanzanteil der Pariser Version sehr ernst genommen.
Mag zwar Flórez von Anfang an seinem Star- und Künstlerstatus gerecht werden, Hauptprotagonist dieser hinreißenden Aufführung, bei der in seltener Eintracht der darstellenden Künste alles richtig gemacht wurde, sind Chor und Orchester. Letzteres ist nicht im Graben, sondern auf einem Podium hinter der Rampe platziert, das abgesenkt wird und hochgefahren werden kann. Alles geht von Gardiners flexiblen Tempi aus. Klang durchpulst wie eine akustische Skulptur den minimalistisch gestalteten Raum.
Trauer ist neben der mollfließenden Musik in den verkrümmten oder erhobenen Haltungen des Chores erfahrbar, die sich bald vergrößert und kontrastiert in den grotesk flutenden Körpern von Hofesh Shechters athletischen Tänzern. Unterwelt und Elysium sind sich nahe. Orpheus, der Chor und auch das Publikum scheinen im Glückstaumel des Reigens seliger Geister zu schweben. Nach der Pause aber ist Partnerarbeit angesagt, Paartherapie, die große Auseinandersetzung mit der wiedergefunden Gattin, der Lucy Crowe Ambition und Allüre gibt. Das als Fürstenlob gedachte Ende, die ausufernden Tänze, sie zeigen nur einen doch heillosen Zustand. Man singt in Dur vom Triumph der Liebe, zu sehen ist aber ein wieder allein agierender Mann.

Roland Mackes, 17.10.2015, RONDO Ausgabe 5 / 2015



Kommentare

Kommentar posten

Für diesen Artikel gibt es noch keine Kommentare.


Das könnte Sie auch interessieren

Hausbesuch

Hausbesuch – Versailles

Es lebe der König!

Das Barockmusikherz Frankreichs schlägt bis heute in und um das Schloss von Versailles. Prächtige […]
zum Artikel

Blind gehört

Neu erschienen:

Hans-Christoph Rademann: „Diese Musik funktioniert wie ein Comic“

zum Artikel

Pasticcio

Quotenqueen

Meldungen und Meinungen der Musikwelt

Anna Netrebkos Marktwert dürfte sich bekanntlich nicht gerade im Peanuts-Bereich bewegen. Trotzdem […]
zum Artikel


CD zum Sonntag

Ihre Wochenempfehlung der RONDO-Redaktion

Externer Inhalt - Spotify

An dieser Stelle finden Sie Inhalte eines Drittanbieters, die Sie mit einem Klick anzeigen lassen können.

Mit dem Laden des Audioplayers können personenbezogene Daten an den Dienst Spotify übermittelt werden. Mehr Informationen finden Sie in unseren Datenschutzbestimmungen.

Alexander Skrjabins frühe Werke sind in ihrer Tonsprache noch stark von Chopin und Liszt beeinflusst. Die Préludes op. 13, zeigen deutliche Bezüge zu Chopin, aber auch eine visionäre Originalität, die seine zukünftige Modernität vorwegnimmt. In der berühmten Étude in cis-Moll hört man komplexe Harmonien, während die epische Leidenschaft der Fantasie in h-Moll bereits den kompositorischen Fortschritt andeutet. Die italienische Pianistin Daniela Roma hat in ihrem Heimatland und den […] mehr


Abo

Top