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Eine italienische Villa, halb alt, halb neu. Ein Maskenball, bei dem sich nur die Hälfte der Gäste à la Watteau verkleidet hat. Michael Haneke, Europas gegenwärtig berühmtester Filmregisseur, hat an Gerard Mortiers Teatro Real in Madrid seine zweite Mozart-Oper inszeniert. Und wieder gibt er sich realistisch, lässt aber Rätsel offen. Sind die Personen in den altertümlichen Roben wirklich Charaktere des 20. Jahrhunderts, oder sind sie einfach nur zu den vier jungen Leuten hereingeweht worden, die sich hier auf ein Liebesexperiment einlassen, von dem offenbar alle wissen? Haneke lässt die Umstände bewusst im Ungefähren, will aber wissen, was aus der fatalen Wette entsteht. Don Alfonso ist hier mit Despina zusammen. Sie beide manipulieren die anderen – und wirbeln dabei in der längst erkalteten Asche die vom Feuer ihrer Beziehung übrigblieb. Kaltes Licht gleißt aus der vielfach benutzten Hausbar. Amor hat leichtes Spiel: Die Jungen müssen sich Mut zutrinken, die Alten ihren Ekel betäuben. Während Alfonso (herrisch-harsch: William Shimell) im ersten Akt noch die Fäden zieht, übernimmt dann die illusionsresistente Despina (Kerstin Avemo). Die Männer, Andreas Wolf und Juan Francisco Gatell, meinen, sie seien die Aktiven. Doch gehen die Frauen in Führung, dann scheinen auch sie sich im Netz der Gefühlsschlingen zu verlieren. Das aber dominant. Paola Gardina, die mezzosatte Dorabella, ist die erste, die sich hingibt. Fiordiligi will beide Kerle, hat am Ende niemanden. Deren Gewissensnot spielt Anett Frisch mit ihrem durchdringend instrumentalen Sopran souverän aus. Auch die instrumentale Seite macht sich Mastermind Haneke untertan. Darf es Sylvain Cambreling in der Ouvertüre noch schäumen lassen, legt sich bald Mehltau über die Musik. Bedeutungsschwerer werden die Pausen, das Mutwillige, der komödiantische Witzblitz dieser Buffa verdüstert sich. Mozart, der Erdenschwere, so will es der nicht für seinen Humor bekannte Michael Haneke.
Matthias Siehler, 26.09.2015, RONDO Ausgabe 2 / 2013
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