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Im Alter von 75 Jahren verstarb 1995 Arturo Benedetti Michelangeli. Doch von seinen Fans wird er bis heute ähnlich kultisch verehrt wie seine nicht weniger exzentrischen Kollegen Glenn Gould und Friedrich Gulda. Und wie diese konnte ABM – wie der Italiener auch genannt wurde – zuallererst die Konzertveranstalter auf die Palme bringen, wenn er mal wieder kurzerhand ein Konzert absagte (darin sollte ihm später seine kurzzeitige Schülerin Martha Argerich ähnlich werden). Wenn er sich aber an die Tasten setzte, ob im Konzertsaal oder im Aufnahmestudio, dann legte er die Modernität der Klavierwerke von Claude Debussy spannungsvoll frei und achtete zugleich auf das stofflich so Zarte dieser Musik. Oder in seinem Chopin-Spiel steigerte er das Eindringliche bisweilen mit schonungsloser Wucht. Genau solche Sternstunden bietet die ABM-Retrospektive, die Einspielungen aus dem Zeitraum 1939 bis 1975 bündelt. Eingespielt hatte ABM sie für EMI und das Label Fonit Cetra, die beide vom Branchenriesen Warner übernommen worden sind. Zu den Aufnahmen zählen dementsprechend auch diejenigen, mit denen ABM mächtig polarisiert hat, etwa die stocksteife, fast seelenlose Sicht auf Schumanns „Carnaval“ von 1975. Und auch die zwei Klavierkonzerte von Haydn geraten hier zu einer wenig erfreulichen Abspulerei. Doch ABM konnte sich im Gegenzug eben nicht nur schlagfertig geben (Ravels Klavierkonzert). Unter den Aufnahmen speziell aus den 1940ern stechen etwa Scarlatti-Sonaten heraus, die der sensible Maestro und kettenrauchende Dandy in ihrer wildesten Schönheit zum Blühen brachte.
Guido Fischer, 19.09.2015, RONDO Ausgabe 4 / 2015
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