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N° 1354
20. - 29.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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Wehendes Haar, seelenvoller Ton: Bratschist Friedhelm Weigle (†) - © Queenshall Edinbourgh

Pasticcio

Außen rechts – eine Lücke

Sein letztes Konzert hatte Bratscher Friedemann Weigle mit seinen drei Freunden vom Artemis Quartett Ende Juni in Wien gegeben. Und mit ihnen war er gerade auch noch im Aufnahmestudio gewesen, um Dvořáks „Amerikanisches Quartett“ einzuspielen. Doch die geplante CD mit Werken Dvořáks hat jetzt einen Riss bekommen. Denn nicht nur für die Musikwelt völlig überraschend ist Weigle im Alter von 53 Jahren nach langer Krankheit verstorben. Ebenfalls seine Artemis-Kollegen, mit denen er seit 2007 eine der überragendsten Streichquartettformationen bildete, zeigten sich geschockt. „Der Musikwelt geht ein wunderbarer, inspirierender und besonderer Mensch, Musiker und Pädagoge verloren“, heißt es da in einer ersten Reaktion. „Uns allen bleibt die Erinnerung an ihn als Bratscher außen rechts auf der Bühne stehend. Die Beine gespreizt, die dunklen Haare wehend mit der Musik. Allem voran wird sein einzigartig beseelter Bratschenton lange nachklingen.“
Dreißig Jahre lang war Weigle in der Streichquartett-Szene eine prägende Figur. Nach dem Studium der Viola bei Prof. Alfred Lipka an der Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin war er Gründungsmitglied und 20 Jahre lang Bratschist des Petersen Quartetts. 2007 kam er schließlich zum Artemis Quartett. Zudem war er Professor für Kammermusik an der Universität der Künste Berlin und an der Chapelle Reine Elisabeth in Brüssel sowie Honorarprofessor für Viola und Kammermusik an der Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin.
Nun also hat das Artemis Quartett seinen „Beat“ verloren, wie es im kurzen Nachruf heißt. Und tatsächlich kann man sich momentan nicht so recht vorstellen, wie diese beseelte und beseelende Bratschen-Stimme ersetzt werden soll. Aber nach einer wie immer auch langen Phase der Trauer werden Weigles drei Kollegen sich in aller Ruhe zusammensetzen und sich nach einem Nachfolger umhören. Und da man es bisher stets geschafft hat, mit allen bisherigen Um- und Neubesetzungen den internatonalen Spitzenrang des Artemis Quartett mehr als nur zu sichern, darf man hoffnungsvoll in die Zukunft blicken. Trotz der Lücke außen rechts, die in menschlicher Hinsicht wohl nie zu schließen sein dürfte.

Guido Fischer



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