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N° 1307
27.05. - 02.06.2023

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am 03.06.2023



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Vokal total

Es ist schon sehr bezeichnend für die Mechanismen des Klassikmarktes, wenn eine exzellente Sängerin auch sechs Jahre nach ihrem Debüt (immerhin bei den Salzburger Festspielen!) noch immer als Geheimtipp gehandelt wird. Denn dieser Status wurde Christiane Karg bereits 2009 attestiert, als sie in der Kritikerumfrage der Zeitschrift Opernwelt zur Nachwuchssängerin des Jahres gewählt wurde. Mittlerweile hat sie ein vielgelobtes Lied-Debütalbum vorgelegt und stellt sich jetzt mit »Amoretti« auch als Opernsängerin auf CD vor. Und das ziemlich eindrucksvoll. In Arien von Mozart, Gluck und Grétry erinnert die Bayerin nicht selten an Lucia Popp. Wie diese besitzt Christiane Karg einen warm timbrierten Sopran mit sicherer Höhe und sehr guter Koloraturfähigkeit, ausgezeichnet in der Diktion, klar und rein im Klang, dabei stets mit einer zutiefst menschlichen Note. Selbst in Bravurarien wie »Biancheggia in mar« aus Mozarts »Il sogno di Scipione« erfüllt sie die Koloraturen mit pulsierendem Leben. (Berlin Classics/Edel 0300389BC)

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Über diese Fähigkeit verfügt auch Sandrine Piau. Selbst wo es vorrangig (nur) um Virtuosität geht, fesselt sie ihre Zuhörer, weil sie nie ins Mechanische abgleitet, sondern Koloraturen Ausdruckskraft verleiht. Bei der Französin verbindet sich berückende Stimmschönheit mit hochexpressiver Gestaltung. Die einzigartige Innigkeit ihrer Darbietung trifft unmittelbar ins Herz, weil ihre Seele direkt in die Stimmbänder zu fließen scheint. Auf »Le triomphe de l‘amour« präsentiert sie ein rein französisches Programm, das einen zeitlichen Bogen von 1686 bis 1783 spannt: Von Lully und Charpentier geht es da über Campra und Rebel bis zu Rameau und Grétry. Schon den ältesten Gesangsnummern treibt Piau alles Gestelzte aus, lässt sie zu purem Drama werden. Und so fährt sie auf ihrer musikalischen Zeitreise fort und lässt sie zu einem besonders sinnlichen Vergnügen werden. (naïve/Indigo 965722)

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Ebenfalls ein (weitgehend) französisches Programm – wenngleich im 19. Jahrhundert beheimatet – bietet Elīna Garanča auf »Romantique«. Eigentlich ist es egal, was die Lettin singt, sie adelt mit ihrer ebenmäßig durchgebildeten, exquisiten Stimme so gut wie alles. Allerdings gibt es bei ihr regelmäßig ein großes »Aber« anzubringen, weil sie es im Studio nicht schafft, ein bisschen mehr aus sich herauszugehen (wie ihr das live mitunter durchaus gelingt). Sie hält sich emotional allzu stark unter Kontrolle, entspricht in dieser Hinsicht dem Klischee von der kühlen Blonden aus dem Norden. Ihre Dalila beispielsweise gibt sich eher kalkuliert als sinnlich-verführerisch. Nicht, dass Garanča unbeteiligt wirken würde, absolut nicht, ihren Figuren ist stets eine große Intensität zu eigen. Nur die Leidenschaft kommt nicht so ganz zu ihrem Recht. (Deutsche Grammophon/Universal 479 0071)

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Vom 19. kommen wir schließlich ins 20. Jahrhundert. Mit Richard Strauss und seinen »Vier letzten Liedern« gibt Anne Schwanewilms ihr spätes CD-Debüt – auch eine der Sonderbarkeiten des Marktes, dass einer wirklich guten Sängerin erst mit Mitte 40 die Gelegenheit dazu geboten wird. Aber besser spät als nie, zumal es in diesem Fall keineswegs zu spät ist, denn die Sängerin beherrscht ihre Stimme vorbildlich, führt sie kontrolliert, hält sie hervorragend im Zaum. Vielleicht schwingt ihr Sopran dadurch nicht ganz so weit aus, wie man das von anderen Strauss-Interpretinnen kennt, doch das ist ein geringer Preis für die stimmliche Gesundheit. Und die Höhe leuchtet so, wie es bei Strauss sein soll. Nur hier und da hätte Schwanewilms etwas mehr Sorgfalt auf die Textbehandlung legen können, mehr Prägnanz bei der Artikulation zeigen dürfen. Ergänzt wird das Programm von einer wunderbar mädchenhaften Arabella und einer erfreulich unmadamigen Capriccio-Gräfin, (viel zu früh) abgeschlossen vom Rosenkavalier- Terzett. (Orfeo C 858 121 A)

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Michael Blümke, 30.11.1999, RONDO Ausgabe 4 / 2012



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