Kaum ein Ensemble der letzten Jahre hat mehr zur Popularisierung balkanischer Blaskapellenmusik beigetragen als die rumänische Fanfare Ciocărlia, einem Dutzend Männer, deren mit so viel Elan und Esprit geblasenen Trompeten, Tubas, Holzbläsern und Trommeln man jederzeit zutrauen würde, die Mauern von Jericho umzupusten, obgleich gar keine Posaunisten mitwirken: „Gili Garabdi. Ancient Secrets of Gipsy Brass“ (Asphalt Tango Records CD-ATR 0605/Indigo) nennen die mittlerweile in aller Welt gefeierten, aber im auf keiner Landkarte verzeichneten Zece Prajini beheimateten Musikanten, ihr neues Opus. Uralte Geheimnisse? Als 1864 die Sklaverei der rumänischen Romas endete, flüchteten tausende von ihnen in die Vereinigten Staaten.
Dort müssen sie wohl zur Entstehung des Jazz beigetragen haben, glauben zumindest die Ciocărlias. Noch am wenigsten jazzmäßig musizieren sie, wo man es erwartet, bei „Caravan“. Was ihrer ebenso lustvollen wie lustigen Musik Kraft verleiht, sind die östlichen Wurzeln ihrer urwüchsigen ungestümen Musik. Schade ist nur, wie verderblich die unerbittlichen Marktmechanismen wirken: Das hittaugliche Stück „Alili“ beendet in einer „radio version“ das Album und hinterlässt einen Nachgeschmack wie fades Fastfood.
Wirklich uralt ist die siebensaitige Zither, die in ihrer heutigen (!) Form schon 2000 Jahre in Gebrauch ist. Das edle, schlicht erscheinende Instrument, das die chinesischen Dichter so liebten, offenbart unter den Händen des Meisters Chen Leiji einen betörenden Klangreichtum: „Sprechende“ Glissandi, ätherische Flageolett-Töne, machtvolle Vibrati und die umworbene Stille entfalten allenthalben jenen poetischen Zauber, den Titel wie „Frühlingsdämmerung unter dem Jade-Pavillon“ versprechen. Zu hören ist dies auf dem Album Recueil de l’Ermitage du prunus (Ocora C 560175/helikon harmonia mundi), einer 1931 veröffentlichten Sammlung einiger hundert Jahre älterer Qin- Stücke der Mei’an-Schule.
Das Label Celestial Harmonies hat schon mit einer Vielzahl herausragender Alben die bei uns in ihren klassischen Formen kaum verbreitete Musik Südostasiens dokumentiert. Das Album Homrong Chum Ngek (Celestial Harmonies 13237-2/Naxos) widmet sich der als pin peat bekannten klassischen Musik Kambodschas, die mindestens so alt sein soll wie das Angkor Wat (12. Jh.). In ihrer Besetzung mit Gongs, Xylophonen, Oboe und Trommeln erinnert sie entfernt an die auch bei uns populäre indonesische Gamelanmusik und vermag den Hörer mit ihrem ebenmäßig pulsierenden „Klingklang“ intensiver metallischer und holziger Schwingungen in einen Zustand der Entrückung zu versetzen. Die Stücke der Homrong-Zeremonien, die zum Teil auch Tanzdramen begleiten, verschaffen Kontakt zu überirdischen Welten, zu der auch spirituelle Wächter der Kunst und verstorbene Lehrer gehören, die den Aufführungen segensreich beiwohnen. Das eröffnende Stück „Sathukar“ ist sogar so heilig, dass ein Schüler es ausschließlich von seinem Lehrer lernen darf, wenn er reif dazu ist und es weder von Platte oder Noten einüben, noch anderen beibringen darf. Doch welche Schüler? Sie sind heute so selten wie die Meister, die diese Musik beherrschen – viele wurden Opfer des religions- und traditionsfeindlichen Pol-Pot- Regimes. Und so wurden alle acht Instrumente bei der Aufnahme verblüffenderweise von einem einzigen Exil-Künstler, Chum Ngek, gespielt!
Marcus A. Woelfle, 28.03.2015, RONDO Ausgabe 3 / 2005
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