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N° 1354
20. - 28.04.2024

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am 27.04.2024



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Blind gehört

Fabrice Millischer: „Die Posaune ist meine Leidenschaft“

Er gewann als erster Posaunist überhaupt einen 1. Preis beim ARD-Wettbewerb, und seit dem Echo Klassik 2014 ist Fabrice Millischer auch einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Der 29-Jährige war von 2008 bis 2013 Solo-Posaunist der Deutschen Radiophilharmonie Saarbrücken– Kaiserslautern, spielt regelmäßig in Jordi Savalls Le Concert des Nations und bildet mit Studienkollegen das Posaunenquartett Quartbone. Seit 2013 unterrichtet er als Professor in Freiburg, zuvor war er vier Jahre an der Hochschule in Saarbrücken. Fabrice Millischer wuchs in Toulouse auf und wohnt im Elsass, woher auch seine Großeltern stammen – daher der deutsche Familienname.
Von Arnt Cobbers

Das erinnert mich an meinen ersten Posaunenlehrer, Daniel Lasalle, der ein berühmter Barockposaunist ist und mich sehr früh mit der Barockposaune vertraut gemacht hat. Ich habe ja mit sechs Jahren angefangen, Cello zu spielen, und mit 14 kam dann die Posaune hinzu, weil ich unbedingt in einer Bigband spielen wollte. Parallel zur Bigband habe ich eine klassische Posaunenklasse besucht und bis zum Ende meines Studiums, mit 23, habe ich gleichermaßen Cello und Posaune gespielt. Ich schätze das Cello nach wie vor sehr und spiele es auch ab und zu im Konzert. Während die Cellisten ein sehr breites Repertoire vom 16. Jahrhundert bis heute haben, sah das bei den Posaunisten ganz anders aus. Daniel Lasalle hat mit seinem Ensemble „Les Sacqueboutiers de Toulouse“ wirklich Pionierarbeit geleistet und viel alte Literatur entdeckt und damit das Repertoire beträchtlich erweitert. In der Renaissancezeit haben die Komponisten die Besetzungen meist offen gelassen, und das eröffnet uns sehr viele Möglichkeiten. Abgesehen davon ist es einfach schöne Musik.

Diverse

Pavana El todesco, aus: Leitfaden durch die historischen Instrumente

Ensemble La Fenice

Ricercar/Note 1

Diese Einspielung kenne ich nicht. Ich habe das Stück gerade erst aufgenommen, aber mit einer modernen Altposaune. Zum einen, weil die Musiker im Orchester moderne Instrumente spielten. Zum anderen, weil nicht viele Posaunisten Barockposaune spielen, und die Zuhörer nicht an den Barockposaunenklang gewöhnt sind. In einem Konzert, wo man die Instrumente sieht, finde ich es sehr interessant, aber auf Aufnahmen möchte ich den Menschen erst einmal den schönen Klang der modernen Posaune vorstellen. Eins nach dem anderen.
Die Posaune hat sich im Laufe der Zeit nicht sehr verändert. Die moderne Posaune ist lauter, damit sie sich im großen Orchester durchsetzen kann. Sie ist größer, vom Rohr, vom Schallbecher, vom Mundstück her. Dafür kann man auf einer Barockposaune feiner artikulieren und differenzieren. Ich spiele oft im gleichen Konzert Barockmusik mit Barockposaune und romantische Musik mit moderner Posaune. Ich mag es, Musik aus verschiedenen Epochen zu kombinieren, um dem Publikum das ganze Spektrum der Möglichkeiten auf dem Instrument zu zeigen. Das ist Jörgen van Rijen? Er ist Soloposaunist im Concertgebouworkest, ich kenne ihn sehr gut. So ähnlich wird auch meine neue CD aussehen. Es ist natürlich ein Problem, dass wir alle dasselbe Repertoire spielen. Für die Besetzung Posaune und Streichorchester haben wir zurzeit nur drei oder vier Konzerte. Man kann Konzerte für andere Instrumente bearbeiten – oder man beauftragt Komponisten, neue Werke zu komponieren. Ich denke, das ist unsere Aufgabe als Posaunisten: neues Repertoire zu entwickeln. Daran arbeite ich, gemeinsam mit Komponisten wie Maxime Aulio, Jean-Pascal Beintus oder Gilles Colliard.

Leopold Mozart

1. Allegro, aus: Konzert D-Dur

Jörgen van Rijen, Combattimento Consort Amsterdam, Jan Willem de Vriend

Channel Classics/New Arts International

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Das muss Christian Lindberg sein, nur er spielt solche Arrangements. Er hat keine Angst zu experimentieren. Als Posaunist muss man sich schon bei ihm bedanken, er hat viel für das Instrument getan. Wenn es hundert CDs mit Posaune gibt, stammen 50 von Christian Lindberg. Es gibt aber auch andere sehr gute Posaunisten aus dieser Generation: Michel Becquet aus Frankreich, Branimir Slokar, mein Vorgänger als Professor in Freiburg, oder Enrique Crespo von German Brass. Lindberg ist der bekannteste, weil er permanent mit 200 km/h unterwegs ist. Er dirigiert und komponiert und hat Tausende Projekte gleichzeitig, er ist immer in Bewegung.

Mussorgski

7. Limoges und 8. Die Katakomben, aus: Bilder einer Ausstellung

Christian Lindberg, Roland Pöntinen

BIS/Klassik Center Kassel

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Das ist schön gespielt, ist das Stefan Schulz von den Berliner Philharmonikern? Ich muss als Professor auch Bassposaunisten unterrichten, aber selbst spiele ich sie nicht, das ist ein anderes Instrument. Zwischen Tenor- und Altposaune ist dagegen kein großer Unterschied. Die Altposaune spielt sich in der Höhe leichter und ist obertonreicher, aber mit der Tenorposaune kommt man genauso hoch.

Lebedev

Konzert Nr. 1 für Bassposaune und Klavier

Stefan Schulz, Tomoko Sawano

BIS/Klassik Center Kassel

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Das ist unser schönstes Solo überhaupt, neben dem Bolero. Ich mag Mahler sehr. Da gibt es fürs Blech unglaublich schöne, ausdrucksvolle Stellen. Leider habe ich dieses Solo nie gespielt. Diese Sinfonie setzt ein Orchester nur alle zwanzig Jahre aufs Programm. Wir haben das einmal mit dem Saarbrücker Orchester gespielt, aber in Kooperation mit einem anderen Orchester, und das Solo hat der Kollege vom anderen Orchester gespielt. Er war älter und wir haben gesagt, dass ich in Zukunft sicherlich noch das Glück haben werde, diese Sinfonie zu spielen. Ich hoffe sehr, dass das eines Tages auch passiert. Dass ich die feste Stelle aufgegeben habe, bereue ich nicht. Nächste Woche spiele ich „Also sprach Zarathustra“ mit dem Orchestre national de France, das Orchesterspiel macht mir immer noch viel Spaß. Strauss, Mahler, Bruckner, Wagner, Berlioz, Brahms – es gibt schon eine ganze Menge schöner Stimmen.
Ich spiele auch das Mozart-Requiem mit dem „Tuba mirum“ sehr gern, überhaupt spielen die Posaunen im Repertoire mit Chor eine große Rolle, zum Beispiel in den Messen von Schubert. Aber wir spielen auch viele Werke, wo wir nur ab und zu etwas Farbe hinzu geben. Da spielt man ein paar Töne und hat dann zwei Sätze Pause, das kann ziemlich langweilig werden. Eine feste Orchesterstelle mit einer Solokarriere zu kombinieren, ist schwer. Als Professor habe ich eine ganz andere Freiheit. Außerdem freuen sich die Hochschuldirektoren, wenn ein Professor als Solist Erfolg hat, weil davon auch die Hochschule profitiert. Und ich mag die Arbeit mit den Studenten sehr. Ich kenne keinen einzigen Posaunisten, der als Solist leben kann. Das wäre mir auch zu einsam. Ich finde den permanenten Wechsel zwischen Unterricht und Orchester, Solo und Kammermusik perfekt. Hauptsache, es kommt keine Routine auf. Routine ist der größte Feind des Menschen.

Mahler

1. Satz (Posaunensolo), aus: Sinfonie Nr. 3

Andreas Klein, Deutsches Symphonie-Orchester Berlin, Kent Nagano

Teldec/Warner

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Interessant. Das erinnert mich an Spektralmusik, es klingt wie ein Didgeridoo mit den Doppelklängen und der Zirkularatmung, das ist schon sehr besonders. Was ist das für ein Ensemble? Das ist nur ein Posaunist? Dann spielt er mit einem Loop-Gerät. Zirkularatmung ist auf der Posaune natürlich viel schwieriger als auf dem Fagott oder auf der Oboe, weil wir viel mehr Luft brauchen. Ich selbst habe sie nie gebraucht. Aber wenn ein Komponist mir ein Stück schreibt, für das ich sie brauche, werde ich sie lernen.

„Aus der Tiefe“, aus: Der gelbe Klang (Solo m. Elektronik, 2007)

Conny Bauer

jazzwerkstatt/Naxos

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Ich mag diesen Stil sehr, die Orgel klingt fantastisch. Ich habe mich auf Klassik spezialisiert, aber im Hintergrund lauert nach wie vor meine Liebe zum Jazz. Beides intensiv und gut zu machen, ist schwer. Technisch ist das alles machbar. Aber für Jazz muss man improvisieren können, das muss man üben und entwickeln. Ebenso den Klang. Vielleicht ist in der Klassik deutlicher definiert, wie eine Posaune klingen muss, aber auch da hat jeder Posaunist seinen ganz eigenen Klang. Ich kann mich gut erinnern: Als ich das erste Mal eine Posaune gehört habe, hat mich das sofort berührt. Ihr Klang ist der menschlichen Stimme ähnlich. Ich finde, man kann auf der Posaune wirklich singen. Und wenn Sie mich nach meiner Mission fragen: der Posaune endlich den verdienten Platz zu schaffen. Die Posaune ist meine Leidenschaft, die will ich teilen mit dem Publikum.

“Jazz Ain’t What It Used To Be”, aus: Daddy’s Bones

Nils Wogram’s Nostalgia

intuition/New Arts International

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Zuletzt erschienen:

Tomasi, Burgan, Guillou

Französische Posaunenkonzerte

Fabrice Millischer, Deutsche Radiophilharmonie Saarbrücken Kaiserslautern, Ulrich Kern

PercPro/Klassik Center Kassel

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Arnt Cobbers, 21.03.2015, RONDO Ausgabe 2 / 2015



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