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Der Bus kommt. Mutprobe auf Israelisch. Neben uns sitzt ein Soldat mit Maschinengewehr. Nicht dass der im Ernstfall wirklich was nützen würde. Fühlt sich aber trotzdem gut an. Und die Mutprobe besteht ohnehin eher darin, die Hitze auszuhalten. Die Klimaanlage im Bus funktioniert nämlich nicht so richtig, und jenseits der Scheibe flimmern 40 Grad über die Avocadoplantage. Kein Wetter für die Oper. Aber nach einer Woche am Strand ist jetzt Kultur angesagt, Nervenkitzel inklusive. Halbgekühlt Bus fahren, schwitzen in Jerusalem.
Israel, zum zweiten Mal. Im Juni säuselte noch Camille Saint-Saëns’ schwülstiges Bibeldrama „Samson et Dalila“ durch die New Israeli Opera, jetzt, einen Monat später, hat das Haus Sommerpause. Die Musik spielt nun in Jaffa, einer 4000 Jahre alten Stadt am Meer. Joan Dorneman, Coach mit Legendenstatus an der New Yorker Metropolitan Opera, hält hier ihren alljährlichen Sommer-Opern- Workshop ab. Angefangen hat sie damit 1987 in Tel Aviv. Nachdem sie bei ihrem ersten Besuch Mitte der 80er Jahre festgestellt hatte, dass es im Heiligen Land zwar außergewöhnlich viele talentierte junge Sänger gab, aber keine adäquate Ausbildung. Also überzeugte Dorneman ein paar Kollegen und Freunde von der Met, den Juli und August in Israel zu verbringen und sich dort um den Nachwuchs zu kümmern.
Der Flur in Jaffas Musikschule, gleich neben dem Sportstadion, ist das Klang-Herzstück dieses Workshops. Ein langer, schmaler Gang, rechts und links kleine Zimmer. In jedem von ihnen steckt ein Sänger und singt. Die Türen sind zu, aber dünn. Entschieden zu viele Dezibel fürs Sperrholz. Jeder Gang über den Flur ein Spießrutenlauf: Beidseitig werden wir befeuert von den unverwüstlichen Preziosen des Opernrepertoires.
Also Oper von morgens bis abends. Nonstop. Sprecherziehung, Meisterklassen, Konzerte. Szenische Proben für Puccinis „Il tabarro“, für „Così fan tutte“ und „L’elisir d’amore“, die im 500 Besucher fassenden Theater der Schule aufgeführt werden. Dorneman ist überall zugleich. Kümmert sich um alles und jeden. Zusammen mit Paul Nadler, Dirigent an der Met, und einem Stab von Experten aus dem Big Apple. Sherill Milnes hat hier unterrichtet und Renata Scotto. Mignon Dunn, über 35 Jahre lang eine der Mezzo- Diven der Met und dort Partnerin von Franco Corelli, Renata Tebaldi, Birgit Nilsson und Leontyne Price, zählt zu den unermüdlichsten Lehrern: „Es gibt nichts Aufregenderes, als wahre Talente zu entdecken!“ Dunn muss es wissen: Stars wie Christina Gallardo-Domas und Dorothea Röschmann haben ihre ersten Erfahrungen in Dornemans Workshop gemacht.
Die Sänger kommen längst nicht mehr nur aus Israel, sondern aus der ganzen Welt, aus Brasilien ebenso wie aus Russland. Das Spektrum ist groß und reicht von „nett, aber nicht wirklich aussichtsreich“ bis zu den Wow!-Stimmen, die den Effekt haben, dass der laute Flur verstummt, sich aus den Zimmern erstaunt Köpfe recken und sich schließlich eine andächtig lauschende Menschenmenge vor einer der Türen drängt. Dann hält dieser Termitenhügel der hohen Kunst inne. Auch Joan, die Königin. „Dies ist kein Erholungsurlaub für Sänger, sondern harte Arbeit, die viel Disziplin erfordert. Die meisten müssen das erst lernen.“
Jochen Breiholz, 28.02.2015, RONDO Ausgabe 4 / 2005
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