home

N° 1297
18. - 24.03.2023

nächste Aktualisierung
am 25.03.2023



Startseite · Oper & Konzert · Da Capo

(c) Barbara Pálffy

Stützstrümpfe deluxe: Donizettis „Viva la Mamma”

Wien, Volksoper

Hetero-Männer sind die besseren Frauen-Darsteller, fast immer! Die Rede ist von Travestie- Rollen. Davon gibt es in der Opernliteratur einige, aber nicht viele. Die dicke Köchin in Prokofjews „Liebe zu den drei Orangen“ gehört dazu: Stimmlage Bass. Bekannter – und mit einem Haute-contre zu besetzen – ist die hässliche Wassernymphe Platée in Rameaus gleichnamigem Ballet bouffon. Die dankbarste Rolle dieser Art bietet die von einem Bass-Bariton zu singende Mama Agata in Donizettis Buffa „Le convenienze ed inconvenienze teatrali“ (1831). Zu Deutsch: „Viva la Mamma“, jetzt an der Wiener Volksoper.
Martin Winkler, sonst ein gesuchter Alberich, Klingsor und Opern-Bösewicht, rafft die Stützstrümpfe, stemmt die dicken Ärmchen resolut in die Hüften und keift als Italo-Mutti die männliche Belegschaft ohne tuntigen Beigeschmack zur Ordnung. Er ähnelt eher der Häuptlingsgattin Gutemine in „Asterix“ – und passt umso besser in das Theater auf dem Theater, das sich bei Donizetti um die Aufführung einer Opera seria namens „Romulus und Ersilia“ rankt. Indem während der Proben eine Diva nach der anderen abhandenkommt, übernimmt die zeternde Mama schließlich sogar die Hauptrolle – und rettet die Aufführung auch finanziell.
In seiner dritten Regiearbeit inszeniert Rolando Villazón die Farce als Satire auf das heutige Regietheater. Die Römertragödie wird nämlich vom Regisseur auf dem Theater in „Star Wars“-Manier ausstaffiert – mit Darth Vader-Hütchen, Yoda in der Blechbüchse und einem Chewbacca im Tütü. Das Umkippen in den Ernst bekommt Villazón überraschend magisch, ja traumwandlerisch in den Griff. Jörg Schneider als Erster Tenor sieht aus, als hätte er den Airbag durch persönliche Esskünste erfunden. Kristiina Poska dirigiert einen rauchzarten Donizetti. So kann Villazón auf den Flügeln dieses Erfolgs sogleich weiterreisen an die Deutsche Oper Berlin (wo er „La Rondine“ inszeniert, ab 8.4.) und nach Baden- Baden (als Regisseur von „La traviata“, ab 22.5.). Von dieser „Viva la Mamma“ lässt sich loben, dass sich Villazón einmal nicht in clownesker Art dümmer macht als er ist. Kunststück!

Robert Fraunholzer, 31.01.2015, RONDO Ausgabe 1 / 2015



Kommentare

Kommentar posten

Für diesen Artikel gibt es noch keine Kommentare.


Das könnte Sie auch interessieren

Musikstadt

Dolce far niente

Bari

320.000 Einwohner und drei Theater, darunter Italiens viertgrößtes Opernhaus. Die […]
zum Artikel

Da Capo

Wien (A), Volksoper

Da suchte man 1936 in Wien, weil Greta Garbo abgesagt hatte, für ein neues musikalisches Lustspiel […]
zum Artikel

Gefragt

Maurice Steger

Deftiger Distelfink

Ein Burnout von zu viel Vivaldi-Spielen? Der Schweizer Blockflötist will es erst gar nicht darauf […]
zum Artikel


CD zum Sonntag

Ihre Wochenempfehlung der RONDO-Redaktion

Externer Inhalt - Spotify

An dieser Stelle finden Sie Inhalte eines Drittanbieters, die Sie mit einem Klick anzeigen lassen können.

Mit dem Laden des Audioplayers können personenbezogene Daten an den Dienst Spotify übermittelt werden. Mehr Informationen finden Sie in unseren Datenschutzbestimmungen.

Der spätbarocke Dichter Barthold Heinrich Brockes (1680–1747) begründete seinen Ruhm durch die 1712 entstandene Passionsdichtung „Der für die Sünde der Welt gemarterte und sterbende Jesus“. Mit dieser hochemotionalen Schrift war er so erfolgreich, dass gleich 13 zeitgenössische Komponisten diese vertonten, darunter Händel, Keiser, Mattheson und Stölzel. Auch Georg Philipp Telemann lernte den Text 1716 kennen und schrieb in seiner Autobiographie, dass „dessen Poesie von allen […] mehr


Abo

Top