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N° 1354
20. - 30.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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Kämpft für die Entrechteten - im Bundestag wie am Grünen Hügel: Gregor Gysi (c) Die Linke

Pasticcio

Genosse Wagner!

Auf keiner Bühne fühlt sich die Bundespolitik anscheinend so pudelwohl wie in Bayreuth. Doch abseits des saisonalen Aufmarsches hochrangiger Volksvertreter bei den Wagner-Festspielen hat jetzt ein Mitglied des Bundestages für Wagner-Schlagzeilen gesorgt, von dem man es nicht erwartet hätte. Gregor Gysi, seines Zeichens prominentester Linker und im Nebenberuf Anwalt, kümmert sich ab sofort um die juristischen Belange der Wagner-Geschwister Nike, Daphne und Wolf Siegfried. Speziell will Gysi für sie ein größeres Mitspracherecht in der Richard-Wagner-Stiftung und damit einen größeren Einfluss auf die Festspiele erstreiten. Schließlich haben in der Wagner-Stiftung der Bund und Freistaat Bayern mehrheitlich das Sagen und können somit beinahe allein über die Festspielleitung entscheiden. So wurde etwa gerade erst der Vertrag von der aktuellen Festspielchefin Katharina Wagner bis 2020 verlängert.
Dass sie ein ganz anderes Festivalprofil vertritt als gerade ihre Cousine Nike, ist ein offenes Geheimnis. Das genau sieht Gregor Gysi auch so: „Ich vertrete den rebellischen Teil der Familie Wagner." Und um ihm mehr als nur einen Fuß in die Stiftung zu ermöglichen, fordert Gysi eine Neufassung der Stiftungssatzung. „Letztlich ist es mir egal, welche Lösung gefunden wird. Hauptsache, ich kann meinen Mandaten sagen, dass ihre Rechte nicht länger beeinträchtigt sind.“
Nun könnte man meinen, dass der Spitzenpolitiker damit nur ein weiteres Mandat übernommen hat. Doch Gysi verbindet mit Wagner durchaus mehr. 2012 war er bei den Bayreuther Gastspielen zu Gast und war von sich unangenehm überrascht, dass Wagners Musik bei ihm Gänsehaut ausgelöst hat. „Ich halte Wagner für einen großen Komponisten, obwohl er ein fürchterlicher Antisemit war.“ Angesichts der antisemitischen Tendenzen, die es bis heute auch in seiner Linken-Partei gibt, ist Gysis Empörung eher wohlfeil. Dabei hätte er es sich viel einfacher machen und sich zum einstigen Genossen Wagner bekennen können –der hatte bekanntlich in den wilden Dresdner Jahren 1848/49 mit dem Anarchisten Bakunin Seit´ an Seit´ gegen das herrschende System gekämpft.

Guido Fischer



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