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N° 1354
20. - 29.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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Lässt sich nicht mundtot machen: Fazil Say (c) Marco Borggreve

Pasticcio

Zensur!

Der türkische Pianist und Komponist Fazil Say ist schon immer ein Mann des offenen Wortes gewesen. Und weil er selbst kein Blatt vor den Mund nimmt, wenn es um die Politik der islamisch-konservativen Regierungspartei AKP geht, werden er und Premier Recep Tayyip Erdoğan in diesem Leben wohl keine Freunde mehr. Denn inzwischen versucht man mit allen und längst auch gerichtlichen Mitteln, Fazil Say einzuschüchtern bzw. mundtot zu machen. Seine Kritik an der fortschreitenden Islamisierung der Türkei und den gewalttätigen Reaktionen des Staates auf etwa die Gezi-Demonstrationen hat die politischen Glaubenswächter auf den Plan gerufen. Doch selbst Bewährungsstrafen halten Say nicht von seinem Engagement ab. Und daran wird nun auch selbst die neueste Maßnahme des türkischen Kulturministeriums nichts ändern. Tatsächlich wurde jetzt dem staatlichen, in Ankara beheimateten „Präsidialen Symphonieorchester“ untersagt, bereits aufs Programm gesetzte Orchesterwerke von Say zu spielen. Auf seine Frage nach den Gründen für diese Zensur gab es von oberster Stelle zwar bisher keine Antwort. Dafür hat der bekennende Atheist sich jetzt mit einem Statement an die türkische Regierung zu Wort gemeldet: „Ändern Sie Ihre Politik der Unterdrückung, die von der gesamten Welt verurteilt wird. Haben Sie keine Angst vor der Kunst und den Künstlern. Wir sind nicht kriegerisch. Wir sind bloß Musiker, Schauspieler, Tänzer, ganz einfache Menschen.“
Nicht ganz so viel Wirbel hat eine weitere Nachricht aus der Kulturnation Türkei gemacht. Ihr Inhalt spiegelt aber ebenfalls den Geist einer religiös motivierten Repression wider, der sich scheinbar immer weiter ausbreitet. Nachdem am Istanbuler Staatstheater ein Theaterstück über das Leben von Goethe wegen „unflätiger und erotischer“ Passagen vom Spielplan genommen werden musste, hat nun der neue Generalmanager der türkischen Staatsoper einen besonderen Dresscode zumindest für die Bühnenarbeiter aufgestellt. Alles, was bequem bei der Arbeit ist und daher schon mal knapp ausfallen kann, ist ab sofort verboten. Was man statt Shorts, Muskel-Shirts oder gar aufreizend eng anliegenden Leibchen nun tragen darf, wurde nicht mitgeteilt. Aber den Sittenwächtern fällt garantiert etwas ein.

Guido Fischer



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