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N° 1353
13. - 24.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



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O temporae, o mores: Zigarettenwerbung der 1950er-Jahre

Pasticcio

Oper gefährdet Ihre Gesundheit!

Vor einigen Jahren wurde in Paris auch in der Metro auf großen Plakaten für eine Ausstellung über den großen Filmregisseur Jacques Tati geworben. Lustig sauste er darauf auf einem Fahrrad durch die Straßen. Aber eines von Tatis Markenzeichen, seine Pfeife, hatte man mit einem Windrad verdeckt. Mit solchen absurden Maßnahmen reagierte man seinerzeit auf das staatlich verordnete Werbeverbot für Tabakwaren. Dass es im Zuge der inzwischen weltweiten Anti-Raucher-Kampagne aber noch verrückter zugehen kann, hat man gerade erst auf dem fünften Kontinent bewiesen. Die in Perth ansässige West Australien Opera hat kurzerhand Bizets „Carmen“ vom Spielplan gestrichen, die bekanntermaßen in einer Tabakfabrik spielt. Auslöser für diese krude Entscheidung war ein fetter Scheck von rund 280.000 Euro, mit dem die stattliche Gesundheits-Agentur Healthway das Opernhaus für seine Tat belohnte. An dieser Kooperation kann die Opernleitung nichts Anrüchiges finden: „Wir kümmern uns um die Gesundheit und das Wohlergehen unserer Mitarbeiter.“ Zudem wolle man bestimmte Gesundheitsbilder unterstützten.
Ganz anders sieht das selbst der australische Premier Tony Abbott, der nicht nur von einer „politischen Korrektheit in ihrer irrsinnigsten Form“ sprach. Und tatsächlich würde sich im Musiktheaterbetrieb einiges ändern, wenn der PC-Funke einen Flächenbrand auslösen würde. Ginge es nach den Frauenquotenverfechtern, wäre ab sofort Leoš Janáčeks „Aus einem Totenhaus“ nicht mehr zu halten, da hier nur eine Frau unter rund 50 Männern singen darf. Johann Strauss´ „Zigeunerbaron“ müsste eigentlich in „Sinti und Roma-Baron“ umgetauft werden. Tschaikowskis „Eugen Onegin“ dürfte man nur noch zeigen, wenn im Publikum keiner sitzt, der zum übermäßigen Alkoholkonsum tendiert. Und Verdis „Otello“ steht wegen seines Mohren schon lange unter rassistischem Verdacht. Political Correctness sei, wie Daniel Barenboim findet, der „einfachste Weg, ohne Widerstand“, eine Art moralischer Autopilot, der einem auch das Denken abnimmt. Glücklicherweise gibt es nicht zuletzt in der Oper noch genügend Querköpfe, die das Denken fördern.

Guido Fischer



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