Kommissar Reuter und Doktor Stradivari fuhren durch das nächtliche Köln. „Wie kann ich Ihnen denn diesmal helfen?“, fragte Stradivari, der als Musikexperte gelegentlich in speziellen Fällen die Kripo beriet.
Reuter lenkte den Wagen in eine Einfahrt im Niehler Hafen. „Lassen Sie sich überraschen.“
Das stumme Blaulicht eines stehenden Streifenwagens sorgte vor einem Backsteingebäude für geisterhafte Atmosphäre. Die beiden Männer passierten ein hohes Tor. In einer Halle lagerten von Neonröhren beleuchtet in Regalen die verschiedensten Musikinstrumente – Trompeten, Hörner, Streicher in ihren Kästen. Kleinere Etuis mochten Holzblasinstrumente enthalten. In der Ecke waren mehrere Flügel aneinandergeschoben.
Ein kleiner, glatzköpfiger Mann stand zwischen zwei uniformierten Beamten. Vor ihm erhob sich auf einem Podest eine gewaltige Harfe. Der kleine Mann hatte seine Hand auf das Holz gelegt. „Ich gebe ja zu, dass ich einiges von diesen Sachen hier nicht gerade legal an mich gebracht habe“, sagte er. „Aber Herr Kommissar – bitte glauben Sie mir: Diese Harfe ist mein Eigentum.“
„Das behaupten Sie schon, seit wir dieses Diebeslager entdeckt haben“, sagte Reuter. „Sie können es nicht beweisen. Oder hat sich das in der Zwischenzeit geändert?“ „Bitte nehmen Sie mir die Harfe nicht weg“, jammerte der Mann. „Sie ist ein Familienerbstück.“
„Haben Sie eine Urkunde oder ein Zertifikat?“, fragte Stradivari. „Das nicht“, sagte der Mann, „aber ich kenne die Geschichte des Instruments genau.“ „Erzählen Sie sie dem Herrn“, sagte Reuter. „Er ist Musikexperte. Wenn etwas an Ihrer Geschichte nicht stimmt, beschlagnahmen wir das Instrument sofort. Wie auch all die anderen hier, die ganz klar gestohlen wurden.“
Der Mann nickte und atmete durch. Er schien Hoffnung zu schöpfen. „Also gut. Mein Urgroßvater spielte dieses Instrument. Er war mehrere Jahre Mitglied im Gürzenich-Orchester und spielte 1895 bei einer berühmten Uraufführung mit. Richard Strauss’ Tondichtung ‚Till Eulenspiegels lustige Streiche‘. Es dirigierte Franz Wüllner – eine bedeutende Gestalt im damaligen Kölner Musikleben.“ Seine Berührung des vergoldeten Holzes wurde zu einem sanften Streicheln. „Später ging die Harfe in Familienbesitz über. Wir haben sie über zwei Weltkriege gebracht und bis heute in Ehren gehalten.“
„Na, dann werden wir mal die Archive überprüfen und nach Ihrem Urgroßvater forschen“, sagte Reuter. „Das ist unnötig“, wandte Doktor Stradivari ein. „Ich denke, Sie können das Instrument mitnehmen. Die Geschichte stimmt auf keinen Fall.“ Wie kommt Doktor Stradivari darauf?
Ein Manuskript eines „Dies Irae“ zum Requiem von Gabriel Fauré in der Bibliothek aufzustöbern wäre eine reizvolle Vorstellung. Dennoch gibt Reuter den entscheidenden Hinweis bereits, als er den Beruf Gebhards erwähnt: „Raumfahrtphysiker“, gemeint ist Astrophysiker. Unter der Nummer 8685 verbirgt sich keine Bibliotheks-Sigle, sonder ein 1992 vom Belgier Eric Walter Elst entdeckter Asteroid. Elst ließ diesen aus Verehrung des Komponisten auf den Namen „Gabriel Fauré“ taufen.
Wenn Sie die Lösung wissen, schreiben Sie sie an stradivari@rondomagazin.de oder postalisch an RONDO, Kurfürstendamm 211, 10719 Berlin – Ihre Kontaktdaten nicht vergessen! Unter allen Zuschriften verlost RONDO in Kooperation mit dem Label Genuin fünf Exemplare der CD „Berlin Counterpoint“ des gleichnamigen Bläserquintetts mit Klavierbegleitung, mit Werken von Poulenc, Connesson, Barber – und dem „Till Eulenspiegel“ von Richard Strauss. Einsendeschluss ist der 3. November.
Oliver Buslau, 18.10.2014, RONDO Ausgabe 5 / 2014
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