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Diese Obsthändlerin kann böse werde. Erotisch zwielichtig, mit Schmollmund und Medusenaugen blickt Annette Dasch vom Cover ihrer neuen CD – zwischen Gartengrün, Arcimboldo- Blättern und überreifem Obst. Sie singt die Zauberin und Sarrazenen-Prinzessin Armida in Arien von Gluck, Händel, Jommelli und Haydn – letztere auch bei den Salzburger Festspielen, die sie in Haydns gleichnamiger Oper eröffnete. Und siehe: Das Auge des Kunden kauft mit. „Noch rigider“ hätte sie die CD gern gemacht, sagt sie. Doch weitere Armida-Arien (etwa von Graun, Telemann oder Lully) waren einfach nicht aufzutreiben.
Nach Jahren im lyrischen Mozartfach hat Annette Dasch mit einer CD-Karriere kaum noch gerechnet. Eine erste (schöne) Lieder-CD fiel kaum auf. So konnte sie ruhig an Pamina, Susanna und Fiordiligi reifen. „Ich bin heute viel besser als vor zwei Jahren.“ Sie wurde von Nikolaus Harnoncourt gecoacht, bei dem sie demnächst Schumanns „Paradies und die Peri“ singt. Er brachte ihr bei, mit Emotion und Bildern hinter jede Phrase zu schauen. („Stellen Sie sich vor, Sie hätten große Holzschuhe an und ihr Kopftuch flattert im Wind.“) René Jacobs verhalf ihr neu ins italienische Fach. So führt Dasch ihren lyrischen Sopran heute zuweilen bis an die Grenzen dramatischer Schärfe und Prägnanz. Ihre „Armida“ zeigt eine Wagnersängerin in den Startlöchern – ob sie auch tatsächlich loslaufen wird, ist derzeit noch ungewiss.
Für Simon Rattle wagte sie sich schon mal an Freia im „Rheingold“. „Das war ein totaler, sinnlicher Genuss.“ In 15 Jahren, meint sie, könnte sie Senta, Elisabeth und Elsa singen. Ihr Traum: „Salome“ von Richard Strauss. Seit sie Ljuba Welitsch in dieser Rolle hörte, hat sie sich in deren morbiden Charme gleichsam verhört. „Ich will die großen Granaten, das wäre toll!“ Ausgebildet in München (bei Josef Loibl), wurde Annette Dasch früh eine prominente Abgängerin der Kammeroper Schloss Rheinsberg. (Man warb noch jahrelang mit ihrem Namen.) 2005 debütierte sie an der Bayerischen Staatsoper (in „Königskinder“) und als Donna Elvira an der Scala. Kürzlich sang sie an der Opéra Bastille die Antonia (neben Rolando Villazón als Hoffmann). 2009 steht ihr Debüt an der Metropolitan Opera bevor: als Gräfin im „Figaro“.
Annette Dasch ist kein Kind von gestern – und gerade darin typisch. Denn das Bild von der schweigenden, enthaltsamen Stimmbandnonne, zu der Sängerinnen bisweilen stilisiert werden, ist grundfalsch. Annette Dasch raucht – wie so viele Sänger (schnorrt Zigaretten allerdings nur). Nach Salzburger Vorstellungen sitzt sie lange im „Triangel“, der „Kantine“ der Künstler schräg gegenüber vom Festspielhaus. Sie zitiert lachend Sven Regeners Weisheit aus „Herr Lehmann“: „Dehydrierung ist der größte Feind des Trinkers.“ Die „wichtigste Zeit des Lebens“, sagt sie, habe sie bei den Pfadfindern verbracht. Über Feuerholz, Natur und müffelnde Hemden habe man dort mehr nachgedacht als über Jungs, Popmusik oder die neueste Mode. Sechs Jahre lang spürte sie Fernweh und Gruppengeborgenheit: „Da habe ich gelernt, zu leben“.
Von Fernweh handelt letztlich auch ihre Armida. Tassos „Befreites Jerusalem“ sei der „allerbeste Abenteuerroman“, den sie gelesen habe. „Manisch von Bett zu Bett“ habe sie ihn verschlungen. Zuhause in Berlin verbringt die Sängerin nur noch 40 Tage pro Jahr. Mit dem anstehenden Erfolg ihrer CD dürfte das nicht besser werden. Früher wurde sie gern mit Waschmittelwitzen aufgezogen. Heute hat Annette Dasch als „Armida“ den Erfolgszauber dagegen in der Hand. Weichgespült wirkt ihre CD jedenfalls nicht.
Robert Fraunholzer, 19.07.2014, RONDO Ausgabe 4 / 2007
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