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N° 1354
20. - 26.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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Zugabe

Namen, Nachrichten, Nettigkeiten: Neues von der Hinterbühne

Bariton Thomas Quasthoff denkt über sein Karriereende nach. »Es kann in drei Jahren vorbei sein«, sagte er in Berlin. Er nehme blutverdünnende Medikamente. Sobald er merke, dass seine Kräfte nicht mehr mitspielen, werde er »vom einen auf den anderen Tag« aufhören. »Ich liebe diesen Beruf, aber ich bin nicht abhängig davon. 55 Jahre sind meine erste Grenze. Dann hänge ich vielleicht noch ein, zwei Jahre dran. Ich habe keine Probleme, die Bühne freizugeben.«
Der lettische Dirigent Andris Nelsons, der als Nachfolger von Renato Palumbo als Generalmusikdirektor der Deutschen Oper Berlin gehandelt wurde und ein Wunschkandidat der Intendantin Kirsten Harms war, ist wegen der Nachfolge offenbar nie gefragt worden. (Vor-)Verhandlungen wurden nicht aufgenommen, weil der Berliner Staatssekretär André Schmitz und sein Kultursenator Klaus Wowereit das Nachfolgeverfahren an sich gezogen hatten. Stattdessen hatte die Intendantin offenbar ins Blaue geplaudert. Im August 2009 kommt nunmehr Donald Runnicles nach Berlin.
Nachdem das Engagement von Linda Watson als Brünnhilde im Bayreuther »Ring des Nibelungen« (Regie: Tankred Dorst) nicht verlängert wurde, stehen die Festspiele vor einer echten Walkürenkrise. Christian Thielemann hatte einst vollmundig erklärt, die »weltbeste Besetzung« bieten zu können. Da Deborah Voigt die Rolle noch nicht und Deborah Polaski sie nicht mehr singt, wird erneut aus dem Bayreuther Mustopf nachbesetzt. Jetzt muss die grobschlächtige Adrienne Dugger, die bislang als Senta stimmlich dicke Figur machte, für alle Brünnhilden einspringen. Zu Katarina Dalayman, Catherine Foster, Rachel Tovey oder für eine Rückkehr von Luana de Vol konnte man sich offenbar nicht entscheiden.
Ton Koopman, Alte-Musik-Guru aus Zwolle, hat es satt, als Orgeldemolierer verunglimpft zu werden. Er habe, anders als behauptet wurde, noch niemals eine Orgel kaputtgespielt, sagte er in Berlin. »Der Mann, der diesen beleidigenden und ehrenrührigen Unsinn geäußert hat, musste inzwischen zugeben, dass er mich nie hat spielen hören. Er kennt mich nicht.« Stattdessen hätten ihm Kenner jener Orgeln, auf denen er gespielt habe, mehrfach versichert, die Instrumente würden seitdem besser klingen.
Cecilia Bartoli hat keinen Lastwagenführerschein. Sie würde ihn aber gerne machen, wie sie am Rande ihrer gegenwärtigen Tour erzählte, um ihren Museums-Truck mit Ausstellungsstücken über die Sängerin Maria Malibran selbst fahren zu können. Da sie in dem Truck auch Interviews gibt, wäre sie dann komplett unabhängig.
Opernregisseur Peter Stein meidet deutsche Opernhäuser, wie er in einem Interview in seinem Haus bei Rom sagte: »Ich würde niemals an deutschen Opernhäusern inszenieren. Ich arbeite nur im Stagione-Prinzip.« Der Repertoirebetrieb, in dem allabendlich andere Sänger in denselben Rollen auftreten, sei nur »für Provinz-Heinis wie Konwitschny« geeignet, sagte der für seine Verbalinjurien berüchtigte Stein. Bei diesen Kollegen sei es schließlich egal, »welcher Sänger jeweils in der Badewanne wichst«.
Infolge einer von Staatspräsident Nicolas Sarkozy initiierten Reform der Pensionssysteme in Frankreich dürfen Tänzer und Sänger der Pariser Oper nicht mehr, wie bislang üblich, mit 40 Jahren und nach nur zehn Dienstjahren eine Altersrente beziehen. Die Pensionskasse besteht seit 1698 und wurde durch König Ludwig XIV. eingeführt. Ein Großteil des technischen Personals der Pariser Oper trat in den Streik.
Alte-Musik-Dirigent Thomas Hengel-brock hält vieles von dem, was im Archiv der Berliner Singakademie vor einigen Jahren im Rahmen einer spektakulären Rückholaktion nach Deutschland zurückkehrte, für »Schrott«. Da spiele er »lieber Ligeti«, erklärte er in Freiburg. Gemeinsam mit seinem Orchester, dem Balthasar-Neumann-Ensemble, ist Hengelbrock in diesem Jahr mit Giovanni Legrenzis »Giustino« nach einer Umfrage der Zeitschrift »Opernwelt« die »Wiederentdeckung des Jahres« geglückt.
Die Sopranistin und Münchner Hochschullehrerin Juliane Banse ist der Meinung, dass Musikhochschulen in Deutschland zu viele Gesangsstudenten aufnehmen. Auch schade das Fehlen von Studiengebühren der Qualität. »Bei Hochschulgebühren kämen die Studenten gewiss besser vorbereitet in den Unterricht«, sagte sie in München. Dagegen verteidigt sie hohe Sängergagen. Lange Probenzeiten, hohe Reisekosten und Abgaben sowie unberechenbare Karrierelaufzeiten würden Sänger zwingen »vorzuverdienen«. »Wir geben viel aus, um viel verdienen zu können.«

Robert Fraunholzer, 28.06.2014, RONDO Ausgabe 6 / 2007



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