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Zehn Uhr morgens in Berlin. Die halbe Stadt schläft wahrscheinlich noch, aber Harry Connick jr. ist schon lange wach. Er war Golf spielen. Um sieben Uhr. »Ich weiß, ich hätte die Zeit auch nutzen können, um etwas Klavier zu üben«, gesteht Connick grinsend. Er trägt Jeans, ein grobes Holzfällerhemd und hat zerzauste Haare. Da ist nicht allzu viel Ähnlichkeit mit dem smart-adretten Bürschchen festzustellen, das 1989 seinen Durchbruch feierte. Harry Connicks Soundtrack zu der Erfolgskomödie »When Harry Met Sally« brachte dem damals 22-Jährigen nicht nur seinen ersten Grammy, sondern auch den Ruf ein, der neue Frank Sinatra zu sein. Gut, heutzutage ist das nichts Besonderes mehr, seit nach Robbie Williams, Michael Bublé oder Jamie Cullum im Jahrestakt ein neuer Frankieboy ausgerufen wird. Connick aber durfte den Meister persönlich kennen lernen und sang sogar als Ehrengast auf seinem 75. Geburtstag. »Er war ein netter Kerl«, sagt Connick über Sinatra, »aber ich würde mich niemals mit ihm vergleichen. Er war der größte Interpret von Popsongs, der jemals gelebt hat. Und außerdem habe ich mir diese Musik ja auch nicht ausgesucht. Das war nicht nach dem Muster: Ich war in einer Boyband, und jetzt versuche ich mich am Swing. Ich bin in New Orleans aufgewachsen! Das ist nun mal die Musik, die wir da machen.«
»My New Orleans« ist auch die Platte betitelt, für die Connick mit Interviews und Konzerten in Europa Werbung macht. Es drängt sich der Eindruck auf, dass da jemand an seinem Comeback arbeitet. Es ist schließlich zehn Jahre her, dass Connick zum letzten Mal in Deutschland war. Der Mehrzahl der Menschen hier dürfte der Sänger und Pianist eher als Schauspieler in Filmen wie »Independence Day« ein Begriff sein. »Ich habe drei Kinder«, erklärt Connick, »ich bin sehr oft zu Hause geblieben, um bei ihnen zu sein. Nun sind sie ein bisschen älter und ich toure wieder ein wenig mehr. Ich habe nie aufgehört, Musik zu machen. Ich bin jetzt 40 und habe 25 Platten aufgenommen, allein sechs in den vergangenen drei Jahren. Ich wüsste nicht, was ich noch mehr machen sollte?«
In der Tat: Eingeweihte und Freunde des Pianisten Harry Connick jr. könnten durchaus mitbekommen haben, dass er für das Label seines langjährigen Freundes Branford Marsalis unlängst zwei Instrumental-CDs eingespielt hat. Fans des Sängers und der Big-Band-Rampensau dürften aber erst jetzt wieder richtig auf ihre Kosten kommen. »My New Orleans« ist eine massentaugliche Ansammlung von Traditionals, Funknummern und Balladen aus der Geburtsstadt Connicks, die nach wie vor unter den Folgen des Hurrikans Katrina zu leiden hat. Connick war Zeuge des Elends: »Ich bin einen Tag nach dem Hurrikan nach New Orleans gefahren. Ich ging zu dem Convention Center, in dem 15.000 Leute untergebracht waren. Es gab dort keinen Strom, kein Wasser, nichts. Den ersten Menschen, den ich dort sah, war eine tote Frau mitten auf der Straße. Man muss sich das mal vorstellen: Das ist New Orleans, nicht die Dritte Welt!« Über das Fehlverhalten der Politiker will Connick allerdings nicht richten. »Es wäre zu einfach, sich zurückzulehnen und andere zu kritisieren. Ich tue lieber etwas Positives.« Gemeinsam mit Branford Marsalis hat Connick ein Musikerviertel in New Orleans gegründet und arbeitet jetzt auch am Aufbau eines Musikzentrums mit Konzertsaal, Tonstudio und Unterrichtsräumen. Und nicht zuletzt kündet auch seine neue Platte von dem unbeugsamen Geist der Stadt.
Columbia/Sony
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