Bei allen derzeitigen Querelen um die Zukunft der Bayreuther Festspielleitung redet kein Mensch über das arg heruntergekommene sängerische Niveau am »Grünen Hügel«. Dabei begann schon Mitte der 80er Jahre die künstlerische Talfahrt Bayreuths. Die davor liegende, letzte Blütezeit Bayreuths (die erste war das so genannte »Neubayreuth« seit 1951) ist jetzt in einer neu zusammengestellten Edition von Bayreuther Livemitschnitten dokumentiert. Sie reicht von Wieland Wagners und Wolfgang Sawallischs »Holländer« (1961) bis zu James Levines und Götz Friedrichs Parsifal (1985). Auf 33 CDs gibt es alle zehn großen Opern und Musikdramen, die Richard Wagner in einem Brief an Ludwig II. vom 18. November 1882 als sein Bayreuthwürdiges Werk bezeichnete. Man kann die Aufnahmen von Wolfgang Sawallisch, Karl Böhm, Silvio Varviso und James Levine vor allem als Reverenz an singuläre Sängerpersönlichkeiten wie Birgit Nilsson (Brünnhilde, Isolde) und Anja Silja (Senta, Elisabeth, Elsa, Freia, 3. Norn) verstehen, aber auch an Ausnahmeerscheinungen wie Grace Bumbry (Venus), Astrid Varnay (Ortrud) und Christa Ludwig (Brangäne). Die großen Bässe der Zeit, Martti Talvela (König Marke, Fasolt), Franz Crass (Holländer, König Heinrich), Josef Greindl (Daland, Hagen), Karl Ridderbusch (Hans Sachs), Hans Sotin (Veit Pogner, Gurnemanz) und Kurt Böhme (Fafner) fehlen ebenso wenig wie die Tenöre Jess Thomas (Lohengrin), Wolfgang Windgassen (Tannhäuser, Tristan, Loge, Siegfried), Jean Cox (Walther von Stolzing), James King (Siegmund), Fritz Uhl (Erik) und Gerhard Stolze (Walther von der Vogelweide). In Levines »Parsifal« kündigt sich dann mit Matti Salminen (Titurel) und Waltraud Meier (Kundry) bereits eine neue Sängergeneration an, zu der auch Strohfeuer und Problemfälle wie Peter Hofmann (Parsifal), Simon Estes (Amfortas) und Hannelore Bode (Eva) gehören, wie sie seither für Bayreuth typisch wurden. Wohl endgültig vorbei sind die Zeiten, als im Festspielhaus noch Größen wie Erika Köth den Waldvogel, Vera Soukupova die Erda und Martha Mödl die Waltraute sangen. Diese Stimmen vergisst man nicht, wenn man sie einmal gehört hat. Insofern ermöglicht diese Box einen Blick zurück, der als Maßstab für die Zukunft des Bayreuther Gesangs gelten darf!
Dieter David Scholz, 31.05.2014, RONDO Ausgabe 3 / 2008
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