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Dass bei den diesjährigen Salzburger Festspielen alles auf den muskulösen Oberkörper von Erwin Schrott achtete, hat mit dem schmeichelnden Bassbariton dieses Sängers gewiss zu tun. Aber nur das? Vor fünf Jahren lernte Anna N. den Mann aus Montevideo in London kennen. Sie war eine gefeierte Donna Anna, er führte als Leporello die Strichliste des Verführers. Inzwischen weiß jeder, dass Erwin Schrott der Vater von Anna Netrebkos Sohn ist. Es dürfte nur weniger Fingerzeige bedurft haben, damit alle die lukrativen Möglichkeiten dieses Sängers witterten.
Erwin Schrott gibt sich persönlich als scheues Wild. »Wir sind ein Paar, sobald die Tür zu ist«, erklärt Schrott. Kein singendes Zweigespann in Sicht, so wie es einst Angela Gheorghiu und Roberto Alagna versuchten. Er habe von Anna gelernt, Privates von Öffentlichem zu trennen, sagt er. Und gerät prompt ins Schwärmen: Sie sei so intelligent, schön und zugleich geerdet. Gar nicht mimosenhaft oder schwierig. »Ich bin die Diva«, sagt er – und nennt sich gleich darauf »naiv«. 1972 wurde Erwin Schrott als Sohn deutscher Einwanderer, deren Sprache er nicht mehr spricht, in einem Erdteil geboren, der als Tenorfundgrube heute eine beherrschende Rolle auf dem internationalen Gesangsmarkt spielt. Mit acht kam er in einen Knabenchor, der ihm die schönsten und intensivsten sozialen Erlebnisse bescherte. Er »vermisst« ihn. »Die Ferien waren das Schlimmste«, sagt er über seine Anfänge. Schrott kam mit Mozarts Requiem und einem Studiertrieb in Berührung, merkte aber auch, dass er in Uruguay mit dem Singen nicht weiterkommen würde. Die schwere (und kostspielige) Entscheidung, nach Italien zu gehen, erschien ihm als »unglaublicher Schritt«. Alle 90 Tage musste er raus, um sein Visum zu erneuern. Die Zimmerwirtin war ihm die größte Stütze. Er fühlte sich wie »ein Tier, das man auf die Straße geworfen hatte«, meint er. Und beklagt noch heute, »kein Ego« entwickelt zu haben.
Das lernte er erst auf der Bühne – durch »Lucky guys« wie Don Giovanni, Mustafà, Escamillo, Méphistophélès und Bohemiens wie ColColline (den er mehr als 300 Mal gesungen hat). Riccardo Muti engagierte ihn für »Moïse et Pharaon « an die Scala. Erwin Schrott muss – zumindest optisch – heute als ernst zu nehmendster Neuzugang an der Testosteron-Front seit José Cura und Simon Keenlyside gesehen werden. In den Vokalpiecen seiner ersten Platte wagt er sich neben Mozart und Verdi auch an Arien von Meyerbeer, Berlioz und Gounod. Vorbilder wie Schaljapin und Siepi sind am sinnlichsonoren Volleinsatz dunkler Farben spürbar. Genussfreudig kann er sich am eigenen Material erfreuen. Schon jetzt aber schraubt Erwin Schrott die Maßstäbe für alle, die in Zukunft Karriere machen wollen, kräftig herauf. So gut aussehen, das muss man erst einmal können.
Decca/Universal
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