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Nina Stemme an der Scala
Da wir mit unserem rabiat und unpersönlich renovierten Stammcafé Imperial nach wie vor fremdeln, suchen wir nach guten Torten diesmal im Café Diglas in der Wollzeile. Anna Netrebko wohnt um die Ecke (falls sie es noch tut nach der Trennung von Erwin Schrott und nach Bekanntgabe der Tatsache, dass Sohn Tiago wegen einer leichten Form von Autismus meistens woanders weilt). Sänger freilich sind im Diglas nicht unbedingt zu erwarten; obwohl es im Sommer hier schön luftig ist. Ebenso luftig wie die Mehlspeisen. Besonderer Klassiker: der Scheiterhaufen, eine goldgelbe, mit dem süddeutschen Ofenschlupfer verwandte Zumutung samt gigantischer Schneezuckerhaube.
Was uns zur Tatsache überleitet, dass die beste Sacher-Torte von Wien, ohne Zweifel, bereits vormittags in den privaten vier Wänden von Otto Schenk angeboten wird. Reservierung zwecklos. Der Stolz der Hausfrau wird auch vom Gastgeber mit Freude und Selbstbewusstsein kredenzt, wovon ich mich selber einmal überzeugen durfte. Absolut wunderbar! Sofern man die Sünde auf sich nimmt. An der Staatsoper wird Schenk zurzeit selber rückfällig in Bezug auf sein Gelübde, keine Opern mehr zu inszenieren. Vielleicht hat er eingesehen, dass die Schauspielrollen, die er spielen wollte, auch nicht mehr Spaß machen als ein Stück wie Leos Janáčeks „Schlaues Füchslein“ (Premiere: 18. Juni). Nachdem man inzwischen erkannt hat, dass dieses tschechische Meisterwerk mehr ist als Augsburger Puppenkiste mit Musik, müssen wir abwarten, ob nicht gerade Schenk in bloße Illustration zurückverfällt. Wie immer es ausgeht: Ich stehe zu Schenks Sacher-Torte!
Viele Sänger schwärmen tatsächlich nicht nur für italienische Oper, sondern auch für italienisches Essen. Die schwedische Sopranistin Sopranistin Nina Stemme sagte mir unlängst, sie esse vor jeder Vorstellung eine große Portion Pasta. „Eine Riesenportion sogar!“, so Stemme. „Es ist die italienische Voraussetzung für jede folgende Wagner-Interpretation.“ Dass sogar Opern- Liebe durch den Magen geht, kann man zwar ihr nicht, dafür manchem anderen Sänger schon von weitem ansehen. Luciano Pavarotti, so erzählte seine damalige Agentin in Berlin, pflegte bei gemeinsamen Restaurantbesuchen immer für ein bis zwei Personen mehr zu bestellen als am Tisch saßen. Mit der Ausrede, diese kämen noch. Er konnte dann die überzähligen Portionen aufessen, ohne dass dies weiter auffiel.
Wo gehen Sänger in Wien essen? Klassische Antwort: in die Trattoria „Sole“ in der Annagasse im 1. Bezirk. Fußläufig von der Staatsoper zu erreichen. Ein wirkliches Geheimnis ist das eigentlich nicht, zeigt doch das Restaurant selbst auf seiner Homepage zahllose Fotos mit Seiji Ozawa, Ruggero Raimondi, Roberto Alagna und Angelika Kirchschlager, die alle als Freunde des italienischen Essens gelten können. Besonderes Dolce: gewürfelte Erdbeeren mariniert in Staubzucker mit Schokoladenflocken (Tartare di fragole con scaglie di cioccolato). O sole mio!
Bei der sich neigenden Saison kann man derlei Kulinarisches vielleicht allenfalls ansprechen. Gutes Essen und Leibesfülle haben sich bei Sängern zuweilen sogar positiv ausgewirkt. Pavarottis buttrige Tenor-Spitzen konnten unmöglich diejenigen eines hageren Mannes sein. Auch bei Johan Botha meint man den kolossalen Körper als Resonanzraum hören zu können. Ramon Vargas – wie auch Botha ein Wahl-Wiener – sagte mir zwar einmal im Anschluss an eine Abmagerungskur: „Man singt mit den Muskeln, nicht mit dem Fett.“ Trotzdem klingt’s anders. Ob Maria Callas das tragisch frühe Ende ihrer Karriere durch ihre abrupte Hungerkur (zu Anfang dieser Karriere!) nicht bereits vorwegnahm, darüber kann man spekulieren. Dass zwischen Deborah Voigts Magenverkleinerung und einem anschließenden Rückgang ihrer Karriere ein Zusammenhang bestehen könnte, diese Vermutung liegt zumindest nicht völlig fern. Drum nähre sich, wer singen will. Ober, zahlen!
Robert Fraunholzer, 31.05.2014, RONDO Ausgabe 3 / 2014
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