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Kinder nerven. Ist jedenfalls schon vorgekommen. Wenn das geschieht, stöhnen verständnisvolle Eltern gerne: »Kinder haben zu viel Energie!« In dem Familien-Grusical »Frau Zucker will die Weltherrschaft« wird nun eine wissenschaftliche Methode vorgestellt, die es ermöglicht, unseren Kleinen die überschüssige Kraft abzuzapfen – und in Strom umzuwandeln. Hierdurch kann die Energiekrise der westlichen Welt mit einem Schlage behoben werden. Denn merke: »In jedem Kind steckt so viel Energie wie in 400 Millionen Tonnen Rohöl. Mit nur einem Kind kann eine Stadt wie Berlin drei Jahre lang mit Strom versorgt werden. Ist das nicht wunderbar?«
Wunderbar ist tatsächlich, wie Autor und Regisseur Peter Lund nach 20 Jahren auf der Musical-Rolle immer noch solch geniale Stück-Einfälle aus dem Hut zieht. Bis 2004 leitete er die Neuköllner Oper im Herzen von Berlins Problem- Kiez Nr. 1 – und machte den ganzen Stadtteil berühmt. In seiner neuesten Produktion schlüpfen seine Studenten (von der Berliner Universität der Künste) in die Hiphop-Jeans alleingelassener Hinterhof-Kids, in den Freizeit- Stretch überforderter Eltern und ins Kampf-Chanel jener dubiosen Wissenschaftlerin, welche die Energiekrise auf dem Kinder-Weg lösen will.
Das tanzt, singt und schauspielert ganz herrlich auf die Musik von Wolfgang Böhmer (»Das Wunder von Neukölln«). Und bleibt spannend, obwohl es sich um eine (stark abgewandelte) Version von »Hänsel und Gretel« der Gebrüder Grimm handelt. Hinter der kreischigen Frau Zucker, die ihre verfressenen Opfer mit Apfelstrudel ködert, verbirgt sich natürlich Grimms böse Hexe. Die Story geht knapp gut aus. Denn ein kleiner, unangenehmer Nebeneffekt der ingeniösen Energieumwandlung besteht darin, dass die Kinder, denen dies geschieht, schwuppdiwupp zu Erwachsenen mutieren. Uahh! Wie schrecklich!
Nach aktuellen Themen über Kinderhandel, Unfalltod und Avatare hat Peter Lund hier ein echtes, galliges Märchen geschrieben. Oft werden seine Stücke bundesweit nachgespielt. »Frau Zucker will die Weltherrschaft« läuft im Wettrennen um die »Aufführung des Jahres« in Berlin den drei hochsubventionierten Opernhäusern spielerisch den Rang ab. Hinreißend.
Robert Fraunholzer, 30.11.1999, RONDO Ausgabe 1 / 2012
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