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N° 1353
13. - 21.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



Mit strahlend festlichen Akkorden wird die Gesamteinspielung von Jean-Baptiste Lullys Oper „Persée“ eröffnet. Doch bereits bei den nächsten Takten fängt man an zu stutzen? Das ist doch niemals Lully. Bestimmt Rameau oder einer seiner Adepten. Stimmt tatsächlich. Wobei es sich hier nicht um einen Komponisten aus dem musikästhetischen Umkreis von Rameau handelt, sondern um gleich drei! 1770 setzten sich nämlich Antoine Dauvergne, Franҫois Rebel sowie ein gewisser Bernard de Bury an Lullys Originalpartitur aus dem Jahr 1682 und drehten sie zu 50 Prozent auf links. Man strich den kompletten „Prolog“ und zahllose Chöre, Arietten und Ballettmusiken. Die Lücken füllte man nun mit eigens dafür komponierten Stücken und gab dem Ganzen auch von der Instrumentation her einen neuen, modernen Anstrich. All das geschah natürlich mit royaler Zustimmung. Denn diese Fassung hatte man extra für die Neueröffnung des Versailler Opernhauses in Auftrag gegeben. Dementsprechend ließ man sich auch bei der Aufführung nicht lumpen: 95 Sänger, 80 Tänzer und 80 Instrumentalisten verzeichnen da die historischen Dokumente.
Diese mehr als freie Bearbeitung musikalischer Heiligtümer war zu jener Zeit aber schon lange keine Seltenheit mehr. Und 1773 sollte auch Lullys „Bellérophon“ ein verändertes Klangoutfit bekommen. Auf der einen Seite richtet die Ersteinspielung von „Persée“ in der Fassung 1770 daher den Blick auf eine bislang wenig bekannte Praxis im Frankreich des 18. Jahrhunderts. Andererseits ist man überaus überrascht, mit welcher Fantasie und welchem Feingefühl das Dreiergespann Dauvergne/Rebel/de Bury ihre Beiträge gestaltet und integriert haben. Nicht selten ertappt man sich bei der Frage: Ist dies noch das Original? Und wenn einem an anderer Stelle erneut der Name Rameau in den Sinn kommt, zeugt das schon von hoher Qualität. Dieses Lob muss man dementsprechend auch Dirigent Hervé Niquet machen, der mit seinem Ensemble Le Concert Spirituel sowie einem in diesem Barockfach sich glänzend bewegenden Sängerteam zeigt, wie man eine musikphilologische Kuriosität in ein Meisterwerk verwandeln kann. Das in Buchform aufgemachte Booklet ist auch mit seinen historischen Drucken eine Augenweide. Leider fehlt nur die genaue Aufschlüsselung der jeweiligen Stücke und ihrer Komponisten. Daher muss man das Booklet von Christophe Roussets Einspielung des Original-„Persée“ vergleichend zu Rate ziehen.

Guido Fischer, 25.03.2017


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