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N° 1354
20. - 28.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



Musik von Bach und Hasse vereint auf einer CD, auf der nur vier Musiker in unterschiedlichen Besetzungen spielen. Dazu eine Programmzusammenstellung, die auch den Griff zum Einzelsatz (in Gestalt eines Präludiums ohne Fuge, eines Satzes aus einer Suite oder einer Arie aus einer Kantate) nicht scheut. Bei so viel Mut zur stilistischen Gegensätzlichkeit auf engem Raum und zum unbeschwerten Potpourri braucht es zumindest auf interpretatorischer Ebene ein starkes verbindendes Element, damit die ganze Sache nicht zerfällt. Und es gibt ein solches, in der Tat: Verbindung schaffend wirkt die Virtuosität der beteiligten Künstler im Umgang mit der präsentierten Musik. Das muss nicht immer vordergründige Virtuosität im Sinne eines Ausstoßens vieler Töne in kurzer Zeit seit – wenngleich Stefan Temmingh auf seinen Flöten gerade auch dies besonders gut vermag. Es ist aber weit darüber hinaus eine Virtuosität etwa des organischen Ausgestaltens von melodischen Bögen, des sinnvollen Setzens kleiner und größerer Verzierungen, des (im Falle der Continuospielerin Wiebke Weidanz) einfallsreichen Aussetzens einer Generalbasslinie, die auch das obligate Duettieren mit dem komponierten Solopart einschließt.
Freilich, bei Temmingh hat jene pfiffige Gewandtheit, mit der er durch die intrikaten Linien von Hasses „Cantata per flauto“ jagt, manchmal schon etwas Manieristisches: Wenn es allzu glatt läuft, wie eigentlich immer bei ihm, möchte man gelegentlich fast den Kopf schütteln über so viel Brillanz. Aber Wiebke Weidanz‘ kreative Continuokunst vermag auch diese überirdische Perfektion mit den sanften Klängen eines Lauten-Claviers charmant zu erden. Benno Schachtner tut ein Ähnliches in der Arie „Kein Arzt ist außer dir zu finden“ aus BWV 103, deren Continuo-Akkorde passagenweise allzu uhrwerkhaft-gleichförmig dahintupfen. Domen Marinčič begeistert unkonventionell mit der Darbietung der Sarabande aus der Suite BWV 1011 – quinttransponiert und auf der Gambe gespielt, deren Timbre so viel gemein hat mit der menschlichen Stimme. Es ist einer der eher nachdenklichen Momente dieses durchdacht komponierten Programms – eine Art Memento, bei aller Freude an der Perfektion immer schön menschlich in der Kunstausübung zu bleiben.

Michael Wersin, 30.04.2016


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