Der Franzose Romain Collin ist nicht einfach nur ein weiterer Europäer, der sich in dem ohnehin schon recht ansehnlich bestückten Piano-Trio-Genre tummelt. Sicher: „99“, die Eröffnungsnummer seines ersten Albums für ACT, lässt zuweilen an seinen Label-Kollegen Michael Wollny denken. Aber da ist neben den Rock-Achteln und der pianistischen Präzision noch etwas anderes, das aufhorchen lässt und sich im Verlauf der Aufnahme immer weiter herauskristallisiert.
Man könnte es eine cineastische Dimension nennen. Wenn man Collins Stücke hört, die sich angetrieben von den knochentrockenen Grooves des US-Schlagzeugers Kendrick Scott pulsierend fortbewegen und in denen mal ein Synthbass, mal ein Cello das Trio-Format subtil hintergründig erweitern, dann denkt man an die weiten Landschaften der Road Movies, an unterkühlte Verfolgungsjagden, an melancholische bärtige Baumwollhemd-Hinterwäldler mit einem dunklen Familiengeheimnis.
Dass der 35-Jährige als Komponist für Dokumentar- und Spielfilme arbeitet, ist „Press Enter“ deutlich anzumerken. Dass der Franzose seit 2001 in New York lebt und als Vorzeigestudent schon mit Wayne Shorter und Herbie Hancock tourte, eher nicht. Das ist durchaus als Kompliment für Collin gemeint, der es versteht, seine beachtlichen Fähigkeiten im Keith-Jarrett-Idiom nicht in den Vordergrund zu stellen.
Collins Fähigkeit zur Reduktion werden besonders deutlich in seinen Bearbeitungen der zwei Fremdkompositionen auf „Press Enter“, „Holocene“ und „Round About Midnight“. Dabei gelingt dem Franzosen das Kunststück, die Indie-Folk-Band Bon Iver und Thelonious Monk zu schweigsamen Brüdern im Geiste werden zu lassen. Verrückt, aber schlüssig. Allein das hebt Romain Collin schon aus der üblichen Piano-Trio-Masse heraus.
Josef Engels, 13.06.2015
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