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N° 1353
13. - 24.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



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The Man Behind The Music

Claus Ogerman

Boutique/Universal 524 867-2
(300 Min., 1963-2001) 4 CDs

Bis vor wenigen Monaten waren seine Arbeiten bestenfalls älteren professionellen Studiomusikern aus den USA und einer Handvoll Plattensammlen ein Begriff. Wie kommt es, dass der Name Claus Ogerman nun plötzlich in aller Munde ist? Es kann nur am erstaunlichen kommerziellen Erfolg des letzten Diana-Krall-Albums liegen, für das der inzwischen Siebzigjährige nach fast zwanzig Jahren wie aus der Versenkung auftauchte.
Der Eindruck trog: Ogerman war nicht einmal in den Vorruhestand getreten. Er hatte sich nur wieder ganz auf seine eigene Musik konzentriert, die er in zwei Jahrzehnten intensiven Arrangierens für andere vernachlässigt hatte.
Diese konzertanten und sinfonischen Stücke sind Gegenstand der letzten CD dieser breit gefächerten und von Ogerman selbst Stück für Stück kommentierten Werkschau. Ogermans Musik integriert - im Lichte seiner Erfahrungen unvermeidlich - Fusion- und Jazzelemente und bleibt, selbst wenn sie sortenreine Klassik bietet, stets melodisch und gut anhörbar. Um echte Wirkung zu erzielen, benötigt sie jedoch Solisten vom Schlage Gidon Kremers. In seinen schwächeren Momenten bringt der seriöse Komponist Ogermann (in dieser Funktion schreibt er sich mit zwei n) nur ein wirres Pastiche oder Hintergrundmusik für altmodische Filme zustande.
Die unerhörte Spannweite von Ogermans Arbeiten - darunter auch Ballettmusiken - reicht bis in den Pop: Frank Sinatra, Barbra Streisand, Michael Franks, Dr. John, David Clayton-Thomas und der erstaunliche, aber nahezu unbekannt gebliebene Bariton Arthur Prysock sind in der Box vertreten. Denn Ogermans eigentliche Lebensleistung - auch wenn er selbst das vielleicht nicht so gerne hört - sind die Gewänder, die er für die Musik anderer maßschneiderte. Gelegentlich komponierte er auch für sie - eigene Werke verschiedenen Ausmaßes schuf er für Cal Tjader, Stan Getz, Hank Jones, George Benson, Stéphane Grappelli, Michael Brecker, die Singers Unlimited sowie mehrere für Bill Evans, darunter ein ausgewachsenes Klavierkonzert.
Der innere Schwerpunkt Ogermans ruhte also zum einen auf seinen wunderbaren Auftragsarbeiten für virtuose Solisten wie Jimmy Smith, Oscar Peterson, Freddie Hubbard oder Wes Montgomery. Dessen stark rhythmisches "Bumpin' On Sunset" (aus "Tequila") steigert sich parallel zur Improvisation des Gitarristen auch im begleitenden Orchester stetig bis zur Beinahe-Explosion, um dann wieder langsam zurückgenommen - und ausgeblendet zu werden.
Das andere künstlerische Standbein - und einen tragenden Pfeiler von Ogermans Nachruhm - bilden die 1963 bis 1979 kontinuierlich entstandenen, immer ausgefeilteren Orchestrierungen der Lieder seines engen Freundes Antonio Carlos Jobim, von denen einige nicht umsonst längst zu modernen Standards geworden sind. Diese äußerst fruchtbare Zusammenarbeit muss man in den Rang der künstlerischen Partnerschaft zwischen Miles Davis und Gil Evans erheben.
Dabei wird deutlich, dass Ogerman nicht nur die vielzitierten samtigen Streicher brillant einzusetzen weiß - unvergleichliche Wirkungen erzielte er etwa bei der von Jobim interpretierten italienischen Ballade "Estate" - , er verstand auch mit Bläsern und Chören kreativ umzugehen, wie die beiden Auszüge aus der ursprünglich für Wes Montgomery geschaffenen Suite "Voices" belegen, die sich Stan Getz so kongenial zu eigen machte.
Ein besonderer Reiz dieses sehr aufwändigen Samplers liegt auch darin, dass er mehr als nur den Verve-Katalog verwendet - was nahe gelegen hätte, weil Ogerman in den sechziger Jahren als Hausarrangeur für den Verve-Produzenten Creed Taylor arbeitete. Er berücksichtigt auch bei anderen Labels erschienene, seither nie wieder aufgelegte Platten (im Falle von Sammy Davis Jr. wurde sogar auf die LP zurückgegriffen), was die heutigen Rechteinhaber zu einigen CD-Veröffentlichungen inspirieren könnte.
Schließlich gibt es drei niemals zuvor erhältliche Titel - einen aus einer unveröffentlicht gebliebenen LP der Brasilianerin Joyce und zweimal den Standard "I Should Care": einmal als von Ogerman selbst vorgetragenes Klaviersolo, das andere Mal in großer Galabesetzung, perfekt gesungen von Diana Krall.

Mátyás Kiss, 01.09.2007


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