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N° 1353
13. - 24.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



Zehn Jahre liegen zwischen den bedeutendsten Chorwerken Antonín Dvořáks, zwischen dem 1880 aufgeführten "Stabat Mater" und dem 1890 vollendeten, ein Jahr später im englischen Birmingham erstaufgeführten "Requiem" op. 89. Und wie Dvořák die Marienklage schon elegisch und sanftmütig gedeutet hatte, unterließ er es jetzt, in jene aufrüttelnden Klangregionen vordringen zu wollen, in die sich Mozart, Berlioz und besonders Verdi vorgewagt hatten. Gleich das "Requiem aeternam" wird mit einem fast pastoralen Geflecht aus empfindsamen Wellenbewegungen im Chor und ungetrübt lichten Holzbläserstimmen zu einer höchst entspannten Fürbitte. Und während im "Quid sum misere" die osteuropäische Kirchenmusik ihre Spuren hinterlassen hat, kommt es im "Sanctus" zu einer regelrecht tänzerischen Leichtigkeit samt einem sich elfengleich bewegenden Bläsersatz. Angesichts solcher, die liturgische Umklammerungskunst auflösenden, musikalischen "Gebrauchswerte" mutet es daher nachträglich schon etwas allzu dogmatisch an, wenn bei der Live-Aufnahme aus der Prager St. Vitus Kathedrale sich nun das Publikum vor dem ersten und nach dem letzten Takt mucksmäuschenstill zeigt und den Dirigenten Václav Neumann ungerührt empfängt. Dabei hätte die vor knapp 20 Jahren stattgefundene Aufführung mehr als nur wohlwollenden Applaus verdient. Neumann und seine Tschechische Philharmonie zeigten sich schließlich erneut als verdiente und versierte Sachverwalter der Dvořák´schen Idiomatik. Und weil eben das Klangfarbliche weit vor den musikalisch-strukturellen Errungenschaften des Requiems steht, war man weder im "Lacrimosa" noch im "Dies irae" nachträglich auf der Suche nach überdramatischen Effekten. Erstaunlich vielmehr, wie Neumann besonders im "Tuba mirum" die Streicher auf einen magisch-sehnenden Wagnersound ansetzte, ohne damit das Spirituelle mit Narkose zu verwechseln. Neben den hochgradig berückend-klangschön agierenden Sängersolisten fiel der Chor zwar nicht ab. Aber besonders im "Agnus Dei" kam die musikantische Unschärferelation voll zum Zuge: Bei der Wahl zwischen volltönendem Glanz und prägnanter Textverständlichkeit entschied man sich fürs erstere. Dennoch: ein lobenswertes Plädoyer für ein immer noch allzu stiefmütterlich behandeltes Werk.

Guido Fischer, 01.09.2007


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